12/31/2011

2011

Ein Jahr geht zu Ende, das ist immer der Zeitpunkt, wo man ein wenig Bilanz zieht und sich Gedanken macht, was gut war, was vielleicht eher suboptimal und was vielleicht hätte besser laufen können. Außerdem wagt man meist einen Ausblick mit bescheuerten Neujahrsvorsätzen die genau so lange halten, wie der Kater andauert, wenn man am Neujahrsmorgen stockbesoffen zwischen irgendwelchen Koksnutten in einer fremden Wohnung aufwacht und sich fragt, in welches Jahr man sich denn eigentlich hereinkatapultiert hat, sein Handy sucht und feststellt, dass obwohl es stockfinster ist, die Zeit unerbittlich schon wieder auf Abend steht. Wie auch immer, so etwas will ich gar nicht erst anzetteln, keine Vorsätze, kein Bedauern, keine Gnade, kein Verzeihen.

2011 war alles in allem ein eher beschissenes Jahr, ich habe lange überlegt, ob ich mehr als nur ein paar positive Dinge zusammenbekomme, dann sind mir doch einige eingefallen, allerdings haben die fast alle ihren Ursprung schon in 2010 gehabt und würden daher aus der Wertung fallen. Da ich aber nicht ganz negativ mit dem Jahr abschließen will, denn dann würde ich mich ja auch nicht besser fühlen, nehme ich das einfach mal mit in dieses Jahr, quasi als Wurmfortsatz eines in 2010 geschlüpften Viechs, aus dem dann 2011 ein wundervoller Schmetterling oder eben mehrere geworden sind. Für alle Botaniker, ich weiß, dass Schmetterlinge aus Raupen entstehen und nicht aus Wurmfortsätzen...

Also dann:
2011, das Jahr begann mit einem richtigen Kater und irgendwie hat der sich auch im Laufe des ganzen Jahres nie gänzlich gelegt. Ich habe das ganze Jahr wie in einem Dämmerzustand wahr genommen und die schönen Dinge, die deutsche Meisterschaft mit dem BVB in Dortmund mit 400.000 Leuten zu feiern war irgendwie berauschend, aber so glücklich ich auch war, so war es im Nachhinein gesehen doch nur eine Art Nachdurstbefriedigung mit jeder Menge Alkohol und Freudentaumel benebelte mir die eh schon umnebelten Sinne. Die Sinne benebelt hat mir auch die Pusteblume für einige Monate. Sie war im täglichen Unglück einer der wenigen Lichtblicke und hat in mir etwas geweckt, dass ich schon gar nicht mehr für möglich gehalten hatte. Aber leider habe ich es mit Unvermögen und dem unglücklichen Ichsein nicht zu Stande gebracht, irgendetwas daraus zu machen, weil ich viel zu sehr einer Idee einer idealisierten Wunschvorstellung davon nachgelaufen bin, was ich eigentlich wollte und mit zu viel Eigeninterpretation aus einer Mücke einen Elefanten gemacht habe und mich damit dann nur wieder einer weiteren vorhersehbaren Enttäuschung ausgesetzt habe. Insgesamt habe ich wohl dieses Jahr vieles durch zu viel Eigeninterpretation und Projektion verkompliziert und idealisiert, was insgesamt einfach und unkompliziert gewesen wäre.
Positiv war wohl auch, dass ich endlich meinen ersten 90 Minüter in Eigenregie fertig gestellt habe, zwar handelte es sich um ein Hobbyprojekt, dass ich eigentlich nur für mich gemacht habe, um das Gefühl zu haben, für irgendetwas gut zu sein, aber immerhin hatte ich während der Arbeit daran einige unbeschwerte Stunden, in denen es mir ernsthaft Spaß bereitet hat und es war auch ein guter Abschluss meiner Zeit bei den Kickers. Ernsthaft Spaß bereitet hat mir auch das Fräulein Zuckerschnecke, welches ich im Sommer kennen lernte und mit der ich des öfteren schon sehr ernste Dinge verarbeiten konnte. Sozusagen ein kleines Himmelsgeschenk inmitten einer Umbruchsphase meines Lebens. Wer meine Biografie kennt, wird sich da vielleicht an jemand anderen erinnern, bei dem das damals genauso anfing, aber irgendwie ist das etwas ganz anderes, weil immerhin zwei Erwachsene aufeinandertreffen, der eine im und vom Leben gezeichnet, der andere voller Hoffnung und innerer Stärke, die man manchmal nur herauskitzeln muss. Ich bin sehr froh, dass ich mich darauf eingelassen habe, ein wenig mehr von mir preis zu geben als normal.

Dann gibt es da noch den Essener Engel, die es ohne da zu sein schon so manches Mal geschafft hat, dass ich mich einfach nur besser gefühlt habe. Auch wenn es in diesem Jahr nicht geklappt hat sich zu treffen, bin ich so unglaublich froh, dass unsere Wege sich Ende 2010 gekreuzt haben. Gekreuzt haben meinen Weg auch jede Menge Leute, die ich einfach nur abscheulich finde, ich denke darauf muss ich nich näher eingehen, denn das betrifft ja die Mehrzahl aller Menschen. Allerdings wenn wir schon am Ende der guten Dinge sind, die das Jahr zu bieten hatte, muss an dieser Stelle definitiv genannt werden, das diesjährige RockHarz Open Air, auch wenn es mir eigentlich 3 Tage lang nicht wirklich gut ging körperlich, aber das Gefühl mit dem besten Freund und der Pusteblume abhotten zu gehen war schon etwas, wofür ich gern gelitten habe. Und ich habe gelitten, mein Magen hat sich fast ne 4monatige "Hass-den-Alex" Phase genommen und mir fast täglich Sprühstuhl und Unwohlsein beschert. Gegipfelt hat das schlussendlich in einem kompletten Nahrungsverzicht, dessen Auswirkungen ich derzeit zu kurieren versuche indem ich mich langsam wieder ans Essen gewöhne. Mein lange ersehntes Ziel, das Abnehmen hat zwar dadurch einen mächtigen Schub bekommen, aber die Bedingungen unter denen das Ziel erreicht wurde sind, nun ja bedenklich... Eigentlich ging es mir das ganze Jahr körperlich nicht gut, allerdings hab ich dann einfach aus Frust gegessen und gehofft, dass es schon irgendwann aufhören würde. Vermutlich habe ich es aber einfach übertrieben. Einfach alles, zu viel Schlaf, zu viel Essen, zu viel Coke, zu viel Fernsehen und das ganze bei Null Körperlichkeit. Wenn man nicht mehr im Stande ist lebendig die Treppen zu seinem Sitzplatz im Stadion hoch zu kommen, dann sollte man sich doch ernsthaft Sorgen machen. Früher war das zwar schon immer anstrengend, aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich kurz vorm Herz-Kreislauf-Kollaps stehe, wenn ich ankomme. Da kommt dann die Erinnerung zum Derby hoch, wo ich die ersten Minuten auf dem Klo verbracht habe, weil es einfach nicht anderes ging. Gruselig! Aber auch das ist sehr fett, der BVB, Derbysieg im Heimspiel und zweimal den FC Bayern auswärts besiegt, das ist einfach großartig und auch Licht im Dunkeln eines verlorenen Jahres.

Insgesamt kommt mir 2011 sehr verloren vor, als hätte ich so ein wenig von allem verloren, bislang konnte ich immer behaupten, mein Leben hätte etwas wie einen roten Faden, etwas, das immer da war... selbst wenn man alles streichen würde, sogar 2006 hatte ich in meiner schlimmsten Phase zwei Dinge, die konstant waren, eine davon ist noch immer eine Konstante, die andere ist in diesem Jahr zu einer Kurve geworden, oder besser eine gestrichelte Schlangenlinie. Die Konstante ist mein bester Freund, der mir sogar aus Amerika eine Karte geschickt hat, als er dort in Urlaub war, worüber ich mich sehr gefreut habe, die andere Konstante war stehts die Musik! Und genau da gab es 2011 eine Erschütterung der Macht. Nicht nur, dass ich anfing dem Metal untreu zu werden und mich immer mehr auch außerhalb meiner Genregrenzen der Musik zu bedienen, es gab sogar Phasen, wo ich auf Metal gar nicht klar kam und das finde ich insofern höchst bedenklich als ich diesen ganzen Metal, Met und Miezen Wahnsinn tief in meinem Herzen fühle. Aber vielleicht können meine Jahrescharts ja ein wenig Aufschluss geben, was meinen 2011er Musikgeschmack angeht, schauen wir mal drauf!

Vor den Jahrescharts sollte ich noch kurz ein paar Dinge anmerken. Beeinflusst durch das Pusteblümchen habe ich dieses Jahr eine Affinität zu "Rihanna" entwickelt, deren Musik mich wirklich richtig anfixt, auch wenn die Richtung irgendwie so gar nicht meine ist. Allerdings habe ich auch in diesem Jahr meine Freude an den "Broilers" entdeckt, einer "Mafia-Punk"-Band aus Düsseldorf, deren Musik, der von "Betontod", die auch 2011 bei mir erst so richtig zur Geltung kamen sehr ähnelt. Die größte musikalische Überraschung war, dass ich "Subway To Sally" wieder für mich entdeckt habe und eine meiner früheren Lieblingsbands damit wieder ein richtiges Standing bei mir aufbauen konnte. Dazu muss man dann wohl sagen, dass auch ihr neues Album "Schwarz in Schwarz" mit dem Titeltrack "Das schwarze Meer" mich im Wesentlichen am meisten begeistert hat, von jenen auf die ich mich gefreut hatte. Das genaue Gegenteil haben meine All-Time Favorites von den Reitern hingelegt, ihr aktuellstes Werk "Moral und Wahnsinn" ist gelinde gesagt grober Unfug, oder um es netter zu sagen, es trifft nicht meinen Geschmack und konnte nicht eine Minute meinen Ansprüchen an ein neues Reiter-Album standhalten, nachdem ich schon vom Vorgänger schwer enttäuscht war. Wirklich begeistert hat mich das "Sterneneisen" von "In Extremo", welches ich tagelang durchhörte und welches mich dann auch wieder an die doch zahlreichen Hits dieser Band erinnerte und dank des Live-Pushs auch deutlich häufiger rotierte als andere. "Arch Enemy" haben mich gecatcht, die Videoauskopplung "Yesterday is dead and gone" aus dem Album "Khaos Legions" lies mich Death Metal mal von einer anderen Seite sehen und erleichterte mir den Einstieg in ein mir bis dato eher ungeliebtes Metal Subgenre. Des Weiteren habe ich die neue "Scooter" lieben gelernt, weil sie einfach anders ist als das Jumpstyle-Gedöns der letzten Jahre, es klingt zwar nach absolutem Drogenflash oder sonst was, verbreitet aber bei mir in all seinem Chaos und seiner Mash-Uppigen Verrücktheit absolut gute Laune. Es ist nicht das beste Scooter Album, aber man bekommt das, was draufsteht...  und "David doesn't eat" beginnt den Reigen dann auch so, wie ich mich Teile des Jahres gefühlt habe, nicht essen und Spazierengehen. Außerdem kam noch "Caspers" Album "XOXO" raus, zu dem schon so viel geschrieben wurde, da muss ich nicht noch meinen Senf zu geben, allerdings hat auch hier das Pusteblümchen die Finger im Spiel gehabt, sonst hätte ich mich wohl nie darauf eingelassen mir seinen Kram nochmal anzuhören. also danke dafür, genau wie für fast jeden "Rihanna"-Song des Jahres, da will ich dann fast nochmal fragen "Where have you been"?, "You & I" von der Gaga und "Die Rosen" von "Schandmaul"... ach ich hab viele Songs gern gehört vom Schandmaul Album, die sollten auf jeden Fall nicht unerwähnt bleiben, auch wenn mir der Name des Albums nicht einfällt, was rauf und runter dudelte...

Ein filmischer Abriss 2011 würde nicht nur den Rahmen sprengen sondern wäre aufgrund meiner unregelmäßigen Teilnahme an sozialen Dingen, wie einem gemeinsamen Kinobesuch mit Freunden ein Muster ohne Wert, daher jetzt ohne weitere Umschweife hin zu den Jahrescharts laut last.fm (seit der Rücksetzung Mitte 2013 nicht mehr einsehbar 😔)

Auffällig ist hier, dass sich unter den ersten 10 Plätze gerade einmal 4 echte Metalbands befinden und die Reiter, meine eigentliche Lieblingsband seit Jahren die Spitzenposition abgegeben hat und in diesem Jahr erstmals "In Extremo" die Pole Position gemacht haben. Vermutlich auch beeinflusst von den Eindrücken des Auftritts vom RockHarz Open Air. Generell ist eine Machtverschiebung in den Charts festzustellen, deren Tendenz weg von Nischenbands und Anti-Kommerz hin zu einem eher mainstreamig angehauchten Musikgeschmack zu schwenken scheint. Das macht mir insofern Sorge, als dass es im Übertragenen bedeuten könnte, dass ich tatsächlich meine Linie verloren habe und irgendetwas mich extrem aus der Bahn geworfen hat.

Nun ja, das stimmt auch... seit ich mit den Arbeiten an meiner Autobiografie begonnen hatte, merkte ich wie kaputt ich wirklich bin und das Aufreißen alter Wunden unter Narbengewebe hat sicher nicht dazu beigetragen mir eine Art Heilung zu verschaffen, manchmal sollte man die Vergangenheit lieber ruhen lassen und sie verdrängen, es kann ja nicht alles falsch sein, was Millionen von Menschen Tag für Tag tun, verdrängen und weitermachen, als hätte die Vergangenheit keine Bedeutung, denn selbst wenn sie eine Bedeutung hat, dann ist es doch so, dass man sie nicht verändern kann und ihre Bedeutung verändert sich nicht dadurch, dass wir uns durch sie knechten und selbst hassen. Vielmehr sind sie Teil dessen, was wir heute sind, Erinnerung und Erbstück, aber niemals veränderbar. Also sollten wir auch nicht versuchen sie zu ergründen, wenn wir heute nicht aus dem gelernt haben, was wir gestern falsch gemacht haben, dann sind wir verdammt die Fehler zu wiederholen und damit der Vergangenheit viel mehr Bedeutung zu geben, als sie eigentlich wirklich hat. Daher ist auch ein Jahresrückblick nur als nüchterne Betrachtung möglich, niemals als Rechtfertigung oder gar Versuch, Vergangenes ungeschehen zu machen. Passiert ist passiert ist passiert!

Damit auf nimmer Wiedersehen 2011!

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