Jeden 2. bzw. 3. Tag liege ich für 4 einhalb Stunden in einem Bett mit blauem Bezug und weißen Handtüchern, die man uns als Decken verkauft. Dazu habe ich eine Manschette um den Arm und zwei Nadeln im anderen. Klingt super entspannend? Wer das meint, der braucht nicht weiterlesen. Alle anderen sollten sich mal in die Situation versetzen, einen Arm (in meinem Fall den rechten) nicht benutzen zu können und extrem in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu sein. Was tut man viereinhalb Stunden lang mit Schmerzen im Arm und einem Kreislauf, der sich nicht stabil verhält über die Zeit und ständigen Magengrummeln während der Behandlung? Ich bin mittlerweile dazu übergegangen (mithilfe von Beruhigungstabletten) zu schlafen. Blöd nur, dass sobald der Kreislauf anfängt schlapp zu machen, an Schlaf nicht mehr zu denken ist und es extrem Kräfte raubend wird, also schlafe ich im Anschluss, was dann meist dazu führt, dass 3 von 7 Tagen der Woche für mich gelaufen sind, oder ich zumindest nicht mehr die Kraft habe noch irgendwas sinnvolles oder aktives zu tun. 3 von 7 Tagen der Woche muss ich also opfern, um die anderen 4 zu erleben. Das ist immerhin mehr als die Hälfte im Haben könnte man meinen, aber ist das wirklich so? Geht es mir an den 4 Tagen denn prma, so als wäre ich gesund? Manchmal vielleicht, ja. Die meisten Tage bin ich schon nach einem halben Tag erschöpft und versuche mich darin, möglichst effizient den Rest des Tages zu verbringen, bis ich endlich ins Bett gehen kann, weil Schlaf möglich sein könnte. Ziehen wir also von den 4 Tagen noch einmal die Hälfte ab. Bleiben zwei Tage, die dafür draufgehen, dass ich ein bisserl Geld verdiene, um einen halbwegs normalen Lebensstandard zu halten.
"Dialysezeit ist Lebenszeit!"
Am Arsch!!! Man könnte es ja mal gegenrechnen, ohne Dialyse hätte ich in der ersten Woche 7 Tage zur Verfügung, es würde mir 3einhalb davon schlecht gehen, und 2 würde ich arbeiten, bleiben 1,5 Tage Freizeit übrig, in der zweiten Woche würde es mir vermutlich 7 Tage schlecht gehen, keine Zeit zum Arbeiten, keine Freizeit. Ab der dritten Woche ...
Die Frage ist doch, ob das Opfer eines sozialen Lebens, eines Lebens ohne echte Freizeit überhaupt noch ein Leben ist, das sich zu Leben lohnt? Die Antwort ist eindeutig, man muss es annehmen und das Beste daraus machen, aber so eine Kacke wie "Dialysezeit ist Lebenszeit" will ich nicht mehr hören, das ist genauso hirnlos wie "Abgefuckt liebt dich!" oder "I love NYC"...
Es ist tote Zeit zum Überleben, mehr nicht. Zeit in der man rumliegt und nichts tun kann, was einen wirklich weiterbringt, ich habe versucht zu schreiben, zu lernen, zu spielen... Man ist verdammt zu konsumieren oder zu schlafen. Das kann ja mal ganz nett sein, aber ich hasse Routine, naja mal abgesehen von den Zeiten, die einem vorgeschrieben werden ist es halt auch immer das Gleiche was man tut. Es rettet mein Leben und nur das gibt dem für mich eine Existenzberechtigung.
Zur Dialyse gehen sollte Wohlfühlen sein!
Ich habe mir in letzter Zeit oft Gedanken gemacht, wie man diese Dialyseräume zu schöneren Orten machen kann. Immerhin ist es bei uns schon so, dass es sauber ist und man das Gefühl hat, es wird ein wenig auf Design und das Wohl des Patienten geachtet, aber mal ernsthaft, die ganze Scheisse ist doch eh schon sauteuer, da kann man doch auch noch etwas mehr tun, wie wäre es zum Beispiel mit einem Rundumaquarium anstatt der drögen Riesenfenster, die den ganzen Komplex umgeben, man würde durch die getönten Scheiben die Hitzentwicklung im Inneren erheblich verringern und es würde nie langweilig, das Leben im Wasser zu beobachten. Außerdem soll das eine beruhigende Wirkung haben, was vielen Bluthochdruck- und Angstpatienten sehr helfen könnte. Ein blaues Licht, welches je nach Dimmzustand auf Weißlicht gedreht werden könnte gäbe dem Ganzen etwas loungiges. Dazu könnte man spezielle Partydialysezeiten einrichten, zum Beispiel Samstag Abends, wo dann ein DJ auflegt und man Cocktails und Käsepieker bekommt statt der matschigen alten Brötchen vom Vortag mit Kaffee, Kamillentee und Wasser. Man darf nicht vergessen, dass viele Menschen die auf eine Dialyse angewiesen sind, dort mehr Zeit verbringen als bei ihren Freunden, auf Partys, an Seen, oder sonstigen Freizeitaktivitäten. Klar bleibt es eine medizinische Behandlung aber es ist auch ein großer Teil unseres Lebens und vielleicht würde es das Zeittotschlagen zum Überleben leichter machen, wenn es einem nicht jedes Mal zurück ins Gedächtnis gerufen würde, dass man ohne Dialyse wahrscheinlich keine letzte Party mehr feiern wird.