3/27/2012

Die Unterrichtsstunde

Ich hasste diesen Unterricht, einerseits freute ich mich immer wieder darauf, andererseits waren es doch die Stunden, die mich am meisten in meiner Entwicklung erschütterten. Nicht einmal die Tatsache, dass ich ein sehr verklemmter und unreifer junger Mann bin, nein es war vielmehr das Wissen, dass alle um mich herum sich darüber definierten, mit wie vielen Frauen sie schon Sex hatten, wie berühmt diese waren und wer mit wem und wie lange... ich habe das nie verstanden. Was ist mit der Liebe? Muss man nicht jemanden lieben, wenn man ihm so etwas wie tiefergehende Gefühle entgegenbringen will, der reine Akt ist doch ein nahezu unbefriedigendes Spektakel, wenn es im Nachhinein nichts bedeutet hat. So wie alles, was im Nachhinein nichts bedeutet hat, das war zumindest meine Meinung. Ich konnte auch nie verstehen, warum man mit jeder zweiten Frau, die man kennenlernt, erst einmal züngeln muss, bevor man weitergehende Gespräche führt. Ist es das, wofür die sexuelle Revolution gekämpft hat, dass sich jeder erst einmal mit jedem ausprobiert, bevor man dann irgendwann mal überlegt, ob man überhaupt sowas wie eine Festlegung braucht? Im Grunde ist das doch nichts anderes, als das, was im Tierreich beim Werben stattfindet, also kann mir auch keiner erzählen, dass wir uns sooooo sehr von denen unterscheiden. Dreckiges Menschenpack, Krone der Schöpfung, ekelt sich vor Schweinen, weil die dort ficken, wo sie scheißen, aber vergnügen sich auf den Toiletten der Diskotheken, setzt euer Verhalten mal in Relation ihr Pseudomoralisten! Ich kotze!
Naja, aber vor diesem Ausbruch stand ja die lustige Aufgabe im Unterricht sich jemanden aus dem Kurs auszusuchen, den man gern küssen würde, diesen dann zu fragen und zu küssen. Weil ich mich dem verweigerte, eskalierte die Situation. Es ist nicht so, dass ich nicht einige der Damen sehr attraktiv gefunden hätte, aber für mich gehört so etwas einfach nicht in die Öffentlichkeit, beziehungsweise sollte aus einer Laune ode einem Gefühl heraus entstehen und nicht weil Aufgabe 7b auf dem Arbeitsblatt mich dazu auffordert. Nachdem ich die erste Welle der Anfeindungen überstanden hatte und die Stunde zu Ende war sah ich, wie die kleine schüchterne "Jodie Foster" nicht unähnliche Susi allein an der Tür wartete, um mich abzufangen. Ich ging zu ihr und fragte sie, ob wir nicht später essen gehen sollen. Sie lächelte. Für mich war das viel mehr wert als der ganze Speichelaustausch, der vorher im Klassenraum stattgefunden hatte. Oh Gott, wie krank das klingt!

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