12/27/2012

„Schwester Scheherazade“ - Die Anmutige

Sie trägt ihr Haar jetzt offen, wie viel sagt das über den Beobachter aus, dass er das als erstes erwähnt, oder dass es ihm tatsächlich als erstes aufgefallen ist. Wie viel würde es aber erst über ihn aussagen, wenn es nichts Neues wäre und er es nur als etwas Neues erkannt hätte, obwohl sie bereits von jeher so aufgetreten wäre.

Ist es eine erwähnenswerte Eigenschaft eines Menschen, wie er sein Haar trägt, wenn es sich nicht um eine Frisur mit einer Aussagekraft derer von beispielsweise Dreadlocks oder der Künstlermähne handelt, oder auch die Fascho-Frisuren, irgendwie haben die eine echte Aussage. Aber das lange dunkle Haar offen zu tragen, und damit ihr von einem unglaublich interessanten Charakter geprägtes Gesicht zu umschmeicheln ist wohl von der Aussagekraft näher am Federschmuck vieler männlicher Vögel, die damit Brautwerbung betreiben. Das soll natürlich nicht heißen, dass anzunehmen ist, dass die Entscheidung der vermutlich anmutigsten aller Schwestern ihr Haar offen zu tragen eine Einladung zum Flirt auf Teufel komm raus sein sollte. Alex hatte sie beim ersten Aufeinandertreffen noch als eher schwierige Person eingestuft, mit der er Probleme bekommen könnte, vor allem weil sie neben der sie umgebenden Aura von Anmut und Güte auch diese Stärke einer Frau repräsentierte, die sich kaum etwas vorschreiben lassen würde. Vermutlich als eine von 2 Töchtern unter sonst Brüdern musste sie früh lernen sich durch zu kämpfen und das hat sie in allen Lebenslagen abgehärtet. Ihr Aussehen wollte sie niemals als Kapital nutzen, weil es ihr moralisch widerstrebt hätte sich dadurch Vorteile zu verschaffen, was von der Natur an sie gefallen war. Sie ist eigentlich eine sehr ruhige und nachdenkliche Person, die lieber mal ein dickes Buch liest, als sich am Wochenende auf die Rolle zu begeben und mit ihren Freundinnen eine Ladies-Night nach der anderen zu zelebrieren. Das Bedürfnis nach Harmonie und gegenseitigem Respekt entstammt ihrem Elternhaus und Erfahrungen in ihren Jugendjahren.
Merkt hier eigentlich noch jemand, dass ich keine Ahnung habe, wer sie eigentlich ist und dennoch stelle ich sie mir als einen wirklichen Engel in Zivil vor. Im Vergleich mit den Anderen übernimmt sie ohne große Umschweife in Notsituationen gerne das Kommando und füllt mit ihrer Erfahrung die Position der Anführerin ohne große Anlaufschwierigkeiten aus und blüht sogar noch auf, wenn Unvorhergesehenes geschieht und sie sich beweisen kann. Sie verbindet ihre sanftmütige Sozialkompetenz mit der Führung und Anmut einer nubischen Pharaonin, ohne auch nur Einem das Gefühl zu geben, sich über ihn erheben zu müssen aus bloßem Selbstinszenierungsdrang.
Sie ist die Klassensprecherin, die im zweiten Wahlgang gewählt wurde, wenn die Profilierungssüchtigen unter sich keinen sinnvollen Kandidaten ausmachen konnten, Generell war sie in der Schule auch eine von denen, die ein Alex niemals angesprochen hätte, die immer etwas hochnäsig wirkende Streberin aus Reihe 1, deren wahre Natur ihm immer verborgen geblieben wäre, weil seine Oberflächlichkeit immer die Haupttrennlinie zwischen beide gestellt hätte und alle Gemeinsamkeiten für den Schüler-Alex einen erheblichen Verlust im Ansehen bei seinen Freunden zur Folge gehabt hätten. Heute wäre er nur zu stolz eine Frau wie sie, Freundin nennen zu dürfen. Menschen wie sie retten die Tage vor dem Untergang und jeder darf sich glücklich schätzen, der so jemanden kennt.

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