12/25/2012

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5 Uhr Nachts und ich liege plötzlich wach, draußen tobt der Sturm und ich frage mich, was bloß mit mir los ist, es geht mir irgendwie so gut, nicht eingebildet oder stark geredet, einfach so gut, so als ob ich jeden Tag etwas von der Last abwerfen kann, die mich so gepeinigt hat, als würde ich von Grund auf erneuert und hätte die Chance bekommen, DIE CHANCE, den alten Mr. Scrooge zu den Hunden zu schicken und es mit dem neuen Elan und der neuen Power anzugehen. Weihnachten, es ist so ruhig auf der Station, das könnte doch einen wundervoll chilligen Tag bedeuten, wenn man mir nicht irgendwelche dämlichen Dinge in den Weg wirft. Aber es deutet sich nicht an, dass meine innere Reinigung, die „Traumabewältigung“ nicht fortschreiten könnte. Vielleicht ist es dieser Ort, der es einfach sein musste, damit ich den Dämonen der Vergangenheit endlich ins Auge lachen kann und ihrer nicht mehr fürchte. Seit einigen Tagen ist es nicht mehr bloß der Wunsch hier einfach heraus zu kommen sondern, hier heraus kommen zu können, weil die Vergangenheit keine Schatten mehr auf mich wirft. Als noch völlig unklar war, wie lange ich eigentlich hier hospitieren werde war ich zerrissen, von meinen Gedanken zerfressen und im Zweifel mit mir, ängstlich ob des Ortes, der Isolation, Münster, Kindheitstrauma, wahrscheinlich ist einfach so viel von dem ganzen Cystinose und Dialyse-Transplantationswahnsinn in meiner Vorjugend nicht verarbeitet worden, dass ich mich jetzt 16 Jahre später mit gestutzten Flügeln der Sache erneut stellen muss, aber auch erst jetzt scheinbar dafür bereit bin und jede Erinnerung schlimmer wirkt als die tatsächliche heutige Erfahrung, wie es wohl tatsächlich war. Ich kann das nicht oft genug sagen, aber ich fühle mich von Tag zu Tag wie ein neuer Mensch, besser, natürlich ist das vor allem eine Wirkung der Medikamente und auch des allgemeinen Gesundheitszustandes, denn die Psyche muss sich sicher wesentlich länger erholen als ich mir das wünsche und ich habe noch einen sehr weiten Weg zu gehen aber es fühlt sich gut an, wenn man sich wieder an die Person erinnert, die man einst war, der Charmebolzen, der es schafft, dass die halbe Station auf kurz oder lang nach seiner Pfeife tanzt. Zwar scheinen einige der Ärzte mit meiner fröhlichen Art nicht ganz klar zu kommen, scheinbar muss ich weiterhin depressiv und traurig sein, damit ich nicht aus dem Rahmen falle, aber was wenn genau dieser Teil von mir sich von mir abgeschält hat, wie morsches Holz, das von einer gesunden Rinde blättert. Freuen sollten sie sich, dass ich Tag für Tag das Leben ein wenig mehr zu schätzen weiß, ihnen dankbar bin, dass sie mir ermöglichen noch einmal so fühlen zu lernen, vielleicht sind sie ja auch bloß neidisch, dass ich das Positive in meinem ganzen Unheil gefunden habe und die Disziplin habe mich nur noch daran aufzurichten, alles Negative auszublenden, nur noch das Ziel vor Augen wieder Alex zu sein. Der Alex, den nicht nur ich absolut geliebt habe. Mein Äußeres ist schon ein recht deutliches Signal, wie es mir geht, ich laufe nicht mehr in den Lumpen herum, in denen ich eingeliefert wurde, die Frisur benötigt morgendliche Pflege, die ich ihr angedeien lasse, ein winziges Detail, dass ich in den letzten 2 Jahren nahezu ignoriert habe, ich hatte ja nicht einmal mehr einen anständigen Kamm, um durch meine Yeti-Mähne zu kommen.

Gerade erfuhr ich, dass man mich hier schnellstens loswerden will, da man scheinbar nicht in der Lage ist mir Personal für die „CAPD-Schulung“ zur Verfügung zu stellen. Eigentlich ist das ja traurig, allerdings ist das ganze ja nun wirklich nichts, was man so dermaßen hoch hängen muss, wenn es nur das ist, was ich da gestern bei der Erstspülung gesehen hab, dann sollte es doch reichen, mir das zwei oder drei mal zu zeigen und dann probiere ich es aus und dann läuft das. Angedacht war jetzt von Ärzteseite scheinbar eine Verlegung an den Bünder Dienst, weil zwischen den Feiertagen einfach hier keine Kapazitäten seien und ich hier die Tage bloß absitzen müsste, das könnte ich aber wohl auch in Bünde oder Bielefeld, wenn ich das richtig verstanden habe. Wow, es fühlt sich fast so an, als würde ich auf ein Ziel hin fiebern können, ein erhabenes Gefühl, wenn die Nebelschwaden den Schicksalsberg freigeben und der Ringträger nur noch seine letzte Aufgabe erfüllen muss und den von Sauron geschmiedeten Meisterring ins Feuer werfen muss. Wobei das entscheidende Wörtchen wohl das „NUR“ ist, denn die Gefahren werden weiterhin an der Seite des Helden bleiben, sie sind seine Triebfeder, sein Antrieb und Strom, sie sind das, was ihn letztendlich zum Erfolg verdammt, der Held zu sein.

Ich glaube "Schwester Rabiata" hatte nicht so einen tollen Tag bislang, ich habe sie noch gar nicht verzweifelt leicht verwirrt lachen hören, aber vielleicht sollte ich mir viel weniger Gedanken darum machen, das Personal zu analysieren, auch wenn ich mich ja schon frage, warum heute so etwas Grandioses aus der Küche kam, zartester Schweinebraten an Kartoffeln mit einer unglaublichen Soße auf Bohnengemüse. Als Dessert gab es dann noch einen Schokopudding über Pfirsich garniert mit Mandelsplittern und zwei Stücke feinsten Christstollen, den ich mir jetzt noch einverleibe, nachdem ich den Gesamteindruck des Mittagsmals verarbeitet habe und einfach nur geflasht bin, wie lecker Essen sein kann. Ich hoffe, dass ich vor allem diesen Aspekt mit hier heraus nehmen kann, jegliches Essen zu mögen und den Geschmack voll entfaltet spüren zu können. Am Hunger sollte es nicht mangeln. Vielleicht schaffe ich es ja, doch noch so etwas wie ein guter Koch zu werden und dann auch Gerichte die ich eigentlich gar nicht mag in Köstlichkeiten zu verwandeln. Ich glaube eigentlich mag ich gar keinen Christstollen, dennoch schmeckt er faszinierend. Es kann doch nicht bloß der Hunger sein, der einfach ALLES hineintreibt in den ungesättigten Schlund meiner Gier. Ich komme immer wieder darauf zurück, dass mein Körper das Leben komplett neu erfährt dieser Zeiten, es ist wie neu geboren zu sein, alles ist neu und aufregend und doch hat man schon so viele Erfahrungen und im Hinterkopf spricht Yoda die magischen Worte, „Vergessen was du weißt, du musst!“

Ich glaube der Schnarcher nebenan ist absolut unglücklich, sein Shunt funktioniert nicht, jeden Tag muss er sich mit Überwässerung abfinden, wird allmorgendlich gequält und sieht, wie es mir immer besser geht, auch wenn ich versuche es nicht allzu deutlich zu machen, andererseits könnte er ja auch mal versuchen sich an mir ein Beispiel zu nehmen und mit Freundlichkeit und Disziplin die positiven Seiten allen Übels zu erkennen und mit ein wenig „Hakuna Matata“ und einer gesunden Portion Humor auch mal über die eigenen Defizite zu lachen und nicht ständig zu klagen und zu hadern, denn das hilft weder ihm, noch mir, noch jedem der ihm helfen möchte sondern sorgt bloß für Frust und auf Dauer Ablehnung, weil der Mensch sich nicht auf Dauer mit dem Scheitern beschäftigen möchte. Eine negative Einstellung führt aber auf dem langen Weg der Abwärtsspiralnebel irgendwann genau dort hin und nur dort hin. In den Abgrund des Scheiterns, ich könnte Buchbände darüber erzählen, wie das Leben einem mitspielen kann und wie oft man die Chance wahrnehmen kann sich zu ergeben und es zu zu lassen. Aber das mache ich nicht mehr, ist einfach sinnlos, weil es nur nach unten führt... und Unten ist einfach keine Richtung, die Sterne anstreben sollten.

Irgendwie glaube ich, dass die nubische Prinzessin genau die richtige für mich wäre, wenn man sich unter anderen Umständen kennen gelernt hätte. Ich weiß nicht, wie viel von den Andeutungen ihrerseits wirklich im Falle eines Falles ernst gemeint wären, aber ich glaube, dass sie schon eine richtig versaute Krankenschwester ist und seit sie ihr Haar offen trägt und im fahlen Mondlicht nachts in mein Patientenzimmer schleicht kann icb nicht sagen, dass ich sie nicht deutlichst attraktiv finde. Sogar so sehr, dass Sir Lancelot sich mal wieder blicken lässt, ich hatte ja schon Angst vor Impotenz gehabt, aber auch an dieser Front scheint wieder alles im relativen Lot zu sein. Das freut einen doch irgendwie. Ich sollte vielleicht mal so langsam anfangen, die Bilder zu konservieren und mich auf die Zeit nach dem Krankenhaus vorbereiten, wo nicht jede zweite Frau den Anschein macht, dass sie genau die richtige für dich ist und dabei auch noch so devot daherkommt, dass sie einem vor dem Schlafengehen ins Ohr flüstert, dass man nur klingeln muss, wenn man irgendetwas brauchen würde, egal was. Wer käme da nicht auf schmutzige Gedanken. Das ganze wird immer mehr wie ein versauter Traum in meiner Krankenschwesterfetischwelt und die einzige Person mit der ich das bespreche scheint zu denken, dass ich jetzt aus reiner Notgeilheit auf sie stände, klingt als würden sich da endlich wieder normale Probleme anbahnen, die so jeder attraktive junge Kerl meines Alters hat.

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