12/22/2012

Zweiundzwanzig

Seit drei Tagen bin ich irgendwo zwischen Sein und Scheiden, im Meer der absoluten Ungewissheit, auf Tränen vollen Wogen setzte ich über zu den Iden des Lebens, doch legte sich der Nebel unheilvoll über das was in Hoffnung geboren und ich sehe nicht den Weg. Wie es weiter geht, möchte ich gern wissen, doch was gilt es zu fragen? Weihnachten, ja hm, alles verliert die Bedeutung und ich will bloß eines, Überleben und hier raus. Wie? Keine Ahnung, seit der OP bin ich scheinbar keine Priorität mehr oder sowas, als ob ich mich um alles jetzt selbst kümmern müsste, vielleicht hätte ich die drei Tage eingeschränkte Bettruhe zum Schlafen nutzen sollen, aber ich kann ja auch nicht den ganzen Tag schlafen, ich will irgendwas tun. Wie sinnvoll man die Zeit hätte nutzen können? Aber ich fühle mich wie ein Patient 2. Klasse, als sei mein Schandmal, wie ich hier landete mir ins Gesicht gemeißelt und ich werde nur noch aus Mitleid geduldet unter den Lebenden, als „Dead Man Walking“ als Leichnam unter Ihnen, wie die schaurige Gestalt, das Grauen, der Spiegel, dem sich niemand stellen kann. Und ich bleibe allein mit meinen Selbstvorwürfen und der Ungewissheit und dem Gefühl nichts tun zu können, weil man es mir gar nicht mehr zutraut, dass ich gewillt bin IHREN Kampf wieder zu führen, warum sonst hätte ich eingeschlagen, als mir der sanfte Verführer eine letzte Chance zu generieren suchte? Lasst sie mich doch nutzen, sagt mir was ich tun muss, Schmerzen? Gebt mir Schmerzen, wenn es der Katharsis dient. Rückschläge, her damit dient es der Katharsis werde ich es durchstehen, Qualen, mehr Qualen, erneute Seelenkriege, so sei es, muss ich über weitere Grenzen gehen? Wenn es sein muss, ich tu es ja, aber stattdessen straft mich das Leben nun mit dem größten Schlagwerkzeug, welches es hat, mit Ignoranz. Leben ist Schmerz und Schmerz ist so ziemlich die heilsamste Methode zu Selbsterkenntnis aber ein gerettetes Leben ohne Perspektive, ohne das Gefühl, es zu spüren, ohne das Bewusstsein seiner Existenz, ohne die Chance auf die Chance zur Chance ist wertneutral und dem Tod keinesfalls vorzuziehen. Der Tod ist mir so nah, dass er zu jeder Meinung direkt eine Notiz vermerken könnte und doch fühle ich mich objektiv mal von der völligen Abwesenheit von positiver Emotion so lebendig, wie seit Jahren nicht. Aber warum sollte es dafür schon zu spät sein? Ich bin nicht begeistert, dass es die letzten Tage sein könnten und niemand Anteil daran nimmt, generell nimmt niemand an irgendetwas Anteil, es ist eigentlich total traurig, doch ich bin nicht einmal in der Lage diese Emotion zu verspüren, weil ich versuche stabil zu bleiben, fokussiert, das Ziel im Auge, das Leben im Blick, nur dafür zu existieren, der psychische Sturz muss warten, der See ist zwar voll gelaufen und die ersten Dämme würden sich mit Freuden niederknien, sich ins Tal zu ergießen, den ganzen Weg frei zu brechen, die Dörfer zu zerschmettern, angehäuft mit der Dummheit, der Naivität, dem Versagen des Vergangenen, des Schadhaften, welche eine Industrie der Angst, der Kontrolle, der Selbstverleugnung, der Aufgabe initiierte. Doch der Damm bricht nicht, die kleinen Bruchstellen werden schnell gestopft, doch die Flut steigt und steigt. Niemand sieht es außer mir, ich vermag es nicht zu sagen, sie in Panik zu versetzen würde niemanden retten, es gäbe nur mehr Ungewissheit, mehr Opfer, am Ende muss ich mir auf meine Selbstvorwürfe weitere Berge aufhäufen, die sich ins Tal ergießen um meine Existenz zu fluten und am Ende nichts als zerstörte leere Ödnis hinterlassen werden.

Was genau ist eigentlich passiert, dass ich am Ende dieses Weges landen musste, der niemals meiner war, oder aber genau mein Weg und deswegen hart und steinig wie die sprichwörtliche Hölle. Ich will es immer so mythologisch neutral als möglich ausdrücken, doch wir sind so sehr von unserer kindlichen Religionsprägung verätzt, dass es Teil unserer Existenz ist in Kategorien wie Himmel und Hölle zu denken, auch wenn sie keinerlei Bedeutung für uns haben. Gott und Teufel als Kreaturen für Gut und Böse zu benutzen, ohne ihrer wahren Bedeutung nur nahe zu sein, die sie als mythische Figuren über Jahrtausende ansammeln konnten. In vielen Ländern der Erde wird Gastfreundschaft groß geschrieben, das Miteinander ist ein hohes Gut in vielen Kulturen der Welt, doch wenn wir auf uns gerichtet sind, auf unseren innersten Kern, den Punkt zwischen Gut und Böse, dann sind wir bloß noch Menschen, Überlebende des Sinnlos-Holocausts der Zeit und verloren im Allen des Nichts. Wie ich. Trotz der einigermaßen ruhigen Lage meines Zimmers und dem tollen Besuch zweier meiner besten Freunde bringt es mir nichts an Mehrgefühl auf Dauer. Die Zeit verliert ihren Wert, alles unscharf, russisch wird zu Sprachgewirr, welches sich in Schwällen von boshafter Zunge auf die Mühlen der geschändeten Seele ergießt und trotz nicht vorhandener Antipathien wieder so etwas wie eine Regung in mir hoch holt. Ich weiß nicht, ob es der Neid ist, dass am Bett des hyperaktiven Sergej 8 Leute stehen und ich bloß meine 2 besten Freunde und meine Eltern sehe wenn ich denn überhaupt mal Besuch habe. Nein, es ist kein Neid, es macht mir Angst, dass ich es irgendwie geschafft habe, dass neben den 5 Personen, die meine derzeitige Handy Nummer haben niemand auch nur ansatzweise weiß, was los ist, obwohl es mir noch viel mehr Angst machen könnte, dass ich es selbst nicht weiß...
Aber ich weiß es nicht, weil ich es erst forciert, dann ignoriert und dann systematisch verborgen habe, erst vor der ganzen Welt und dann am Ende vor allem vor mir selbst. Die größtmögliche Täuschung ist die, wenn man sich selbst einreden kann, dass das Leben nur ein Spiel ist und das die die Konsequenzen immer nur für die anderen gelten und niemals das ach so tolle Selbstbild erreichen werden, die Gottheit des eigenen Seins, der Quell der allmächtigen Arroganz, wie konnte ich nur jemals so hoch fliegen und vergessen, dass schon ein winziger Flügel nicht der Hitze der Sonne widersteht, so wie es einst der Junge erfuhr, der in den Ozean stürzte als sich seine gewachsten Flügel entzündeten und sich seine Überheblichkeit gegenüber anderen zu seinem Untergang weideten.
Alexander, Salzprinz, komm nie wieder, warum fliegen Motten stets ins Licht.... Ganz sicher nicht bloß weil sie es können, doch andererseits wäre das noch die am wenigsten verstörendste Erklärung meiner Meinung nach. Wäre es eine bewusste Entscheidung der Motten, wären sie die geborenen Suizid-Lebewesen und würden damit die Bedeutung von Leben als wichtig und entscheidend deutlich in Frage stellen und damit mir und anderen wie mir die Hoffnung nehmen, an den Wert von so etwas wie Leben zu glauben. Warum ich mir über so etwas Gedanken mache? Motten können ins Licht fliegen, Brot kann schimmeln, ich kann mir über so etwas Gedanken machen und habe nichts anderes zu tun und keinerlei Ablenkungen von den essentiellen Dingen des Lebens, die so nichtig sind, wie sie es nur sein könnten, wenn das Leben eben nicht das von Bedeutung aufgeladene Konstrukt einer besseren Welt ist sondern einfach nur das Nichts in dem wir uns begegnen und verlieren, jeder für sich, allein in sich gefangen und ohne die Not des Gemeinen, des Ganzen, einfach Nichtig!
Ich will das nicht glauben können, das Nichts ist mir zu wenig, zu wenig ist mir das Sein, das Sein als Nichts, warum kann es nicht sein, wie ich es wollte? Als ich es wollte, zu meinen Bedingungen, zu meinem Zweck, warum ich keine Gottheit bin? Das ist die schlussendliche Frage, warum nicht ich, wenn es überhaupt möglich sei. Wenn überhaupt irgendetwas möglich ist, dann wird es vermutlich alles sein, was in seinem Umfang und Verarbeitungsverständnis unserem individuell ausgeprägten Gehirn zugänglich ist, zum Zwecke der Dominanz und der Fortentwicklung der eigenen individuellen Intelligenz im Sinne seines Schöpfers und somit selbst erfüllend in der Prophezeiung des Selbst einer Existenz die sich selbst schon überlebt hatte, bevor sie sich seiner Selbst bewusst ward.
Irgendwie ist Eliza schon eine ganz besondere Frau, wie mir scheint, ich glaube heute habe ich erstmals ihre zarte verletztliche Seite gesehen, wie sie da so ganz still und heimlich zwei Tage vor Weihnachten im Vorabend die Weihnachtsplatten aufgelegt hat und versucht ein wenig Fröhlichkeit weiter zu tragen, doch mich erreicht nur die tränenhafte Variante, warum weiß ich nicht, aber irgendwo ist wohl auch Weihnachten in der kindlichen Naivität meiner Vergangenheit ein Relikt und auch wenn ichs nicht eingestehen will macht es mich traurig an Weihnachten hier zu sein...

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