5/01/2023

Weil ich mich selbst feiere?

Ich habe nicht Geburtstag und ich wurde auch nicht zum Bürger der Stadt gewählt, ich sitze einfach nur am Rechner und lese alte Texte von mir, teilweise so extrem weit von dem weg, was ich heute schreiben würde, sowohl vom Mindset her als auch sprachlich, aber dann doch irgendwo ich. Teilweise kommentiere ich mich selbst, als wäre ich ein Zeitreisender, der meinem jungen Ich auf die Finger klopft. Das ist eine Technik, die ich irgendwo mal aufgeschnappt habe und die mir bislang als etwas speziell erschien und ich mir vor Allem nicht vorstellen konnte sie selbst einmal anzuwenden. Normalerweise werden damit Traumata bewältigt, die sich aus der Vergangenheit immer wieder Weg brechen unsere Zukunft zu beeinflussen. Indem man sich seinen alten Werten und Überzeugungen gegenüberstellt und diese mit dem Jetzt abgleicht, erfährt man viel über das Warum und das löst dann meistens die Barrieren, die einer Lösungsfindung bisher immer im Weg standen, weshalb etwas immer wieder aufkam. Ich bin so dankbar, dass ich durch mich selbst und meine Aufzeichnungen diese "einfache" Chance habe.

Warum feiere ich mich selbst und ist das nicht ein Widerspruch? Ja definitiv, wir Menschen sind wandelnde Widersprüche, im besten Fall verändern wir uns ständig und damit sind wir faktisch keinen Tag der, der wir davor waren. Und jene, die das so wahrnehmen, als wäre man plötzlich fake oder jemand Anderes geworden, die sind vermutlich in ihrem persönlichen Prozess noch nicht sonderlich weit gekommen. Ich habe früher auch oft gedacht und fälschlicherweise verurteilt, wie es sein kann, dass man sich ständig wandelt und nicht mal für die Eine Sache steht. Bitte verwechselt das an dieser Stelle nicht damit, dass ich Opportunisten und Fähnchenschwinger gutheiße. Ich meine auch nicht die Probierphase, die man hat wenn man noch seinen Platz im Leben sucht. Ich bin davon überzeugt, dass man felsenfest einer Meinung sein kann, diese sich aber durch diverse Einflüsse und Erfahrungen um nahezu 180 Grad wenden kann oder aber der Kontext verändert sich so sehr, dass ein und der Selbe Standpunkt nun etwas komplett anderes bedeutet. So ging es mir schon öfters und ich kenne viele die sich fragen, ob sie sich wirklich so sehr verändert haben und es nicht mitbekommen hätten, bis bei genauerer Betrachtung einfach eine andere Situativität (das Wort gibt es nicht oder?) herrscht.

Ich feiere mich, weil zwischen dem ganzen emotional aufgeladenen und von einer Antihaltung epischen Ausmaßes durchzogenen Tiraden meinerseits immer mal wieder echte Meisterwerke der Wortspielerei auftauchen. Zumindest empfinde ich das so. Nicht, weil es von mir ist, denn das ist oft das faszinierendste daran, ich kann mich nicht daran erinnern, solcherlei je geschrieben zu haben, viel mehr ist es wirklich die Verneigung vor dem, was mein jüngeres Ich vor gefühlten Äonen geschrieben hat. Die Tiefe und der vermeintliche Wortwitz innerhalb solcher Werke treibt mir ein Lächeln ins Gesicht. Ein kleines Beispiel ist Die Wunderknaben von 2014, ein kleines wirres gedichtähnliches Schriftstück, das sich einerseits wie eine drogeninduzierte Review des gleichnamigen Films Wonder Boys (dt: Die Wunderknaben), sowie Inhalte rezitiert, als auch andererseits der eigenen Selbstfindung Tribut zollt und mit ihr ins Gericht geht ohne die Ebene zwischen den Welten zu verlassen. Natürlich begreife ich als derjenige, der bei der Selbstfindung dabei war das ganz anders, als andere, aber es fühlt sich ja sogar für mich an, als würde dort jemand anderes das niedergeschrieben haben, was ich heute über damals hätte schreiben können. Mega-Meta sozusagen.

Bevor der Kopf explodiert machen wir mal Schluss für heute und üben uns ein wenig in Demut und Dankbarkeit, denn ich weiß genau, das dieses vermeintliche Talent und dessen Verständnis nicht ohne Grund ist. In diesem Sinne... was haltet ihr davon, bin ich begabt, spinne ich nur, ist das wirklich gut? Habt ihr schonmal das Gefühl gehabt, ihr hättet was echt Großartiges geschaffen und hat die Hybris euch dann alles mit dem Arsch einreißen lassen? Oder habt ihr gelernt demütig sein zu können auch im Moment des Erfolgs? Lasst es mich wissen, finde das gerade unglaublich spannend!

tickman.lifeentertainment@gmx.de

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