Was erst einmal klingt wie die Quadratur des Kreises ist mein voller Ernst. Wer schon einmal in einer Vorlesung gesessen hat und einem Gastdozenten bei einem seiner unendlichen Vorträge, die er auf 2 Stunden eingedampft hat zugehört hat, wird wissen, dass er das nur geschafft hat, weil er den Vortrag nicht mehr wirklich hält, er rattert ihn runter, wie etwas, dass schnell erledigt werden muss. Es gibt sicher Ausnahmen aber oft ist die schiere Menge an Wissen, die in kürzester Zeit vermittelt werden soll für den Empfänger nicht zu greifen. Es wird oft vergessen, dass nach dem Hören auch immer ein Verstehensprozess stattfindet und der ist bei jedem individuellen Geschwindigkeiten unterlegen. Der Gastdozent war nur ein Beispiel, denn jeder, der einem anderen etwas erklärt, was er selbst bereits gut durchdrungen hat neigt dazu es schneller weiterzugeben, als er es bei erstmaligem Lernen angenommen hat. Wir erwarten mehr von unseren Zuhörern als von uns selbst, als wir Zuhörer waren. Ich habe eine ganz liebe Freundin, die unter einer Form des Autismus leidet. Sie leidet darunter, dass ihr in (vor allem Telefonaten) die Reaktionszeit fehlt um auf Gehörtes zu reagieren, da sie es nicht verarbeiten kann weil die reine Audioinformation nicht ausreicht um das ganze Bild dessen zu erfassen, was gesagt wird. Ironie, Sarkasmus, meint derjenige etwas zweideutig oder scherzhaft, ist die Aussage eine indirekte Anklage oder ein Lob? Wenn wir Menschen gegenüber sitzen kommunizieren wir auf zig weitere Art und Weisen, Augen, Arme, Körperspannung, etc. verleihen dem, was wir sagen eine andere Realität und beim intimen 1 zu 1 Erklärungsgespräch sehen wir, ob der Gegenüber versteht oder nicht. Wie komme ich jetzt zu den Youtubern, die zum Teil tolle Erklärvideos machen und auch wirklich fachlich unglaubliches Wissen vermitteln aber durch die persönliche Restriktion sich zeitlich einzuschränken oft am Schnitttisch jegliche kurze Denkpausen und Durchschnaufer rausschneiden, um ein schnelles Video zu machen, das möglichst viel Reichweite generiert. Ähnlich wie meine eben erwähnte Freundin bemerke ich immer öfter, dass mich das stresst und ich geistig irgendwann aussteige zuzuhören, weil es mir zu schnell geht. Staccato heißt das in der Musik glaube ich oder Gabba, wenn man Techno mag, wer eher im Kriegsterminus spricht wird von Maschinengewehrsalven sprechen, nach kurzer Zeit wird es zu einem Sprechgewitter, dass einen übermannt und die Fähigkeitzu folgen geht verloren. Im Studium haben wir Sprachunterricht gehabt, um uns deutlich zu machen, wie Schauspieler und Synchronsprecher es schaffen auch in den rasantesten Szenen eine deutliche Aussprache zu haben. Ihr kennt das sicher auch, kann man auch toll als Partyspiel machen, man nimmt einen Korken einer Weinflasche, schiebt ihn sich in den Mund zwischen die Zähne und versucht einen Text vorzulesen, dabei achtet man darauf alle Buchstaben so gut es geht klar und deutlich mitzusprechen. Im Anschluss nimmt man den Ding raus und liest den gleichen Text noch einmal laut vor und bemerkt, dass man ad hoc eine sauberere und klarere Aussprache hat. Genauso haben wir gelernt einen Text in genau vorgegebener Zeit zu lesen und vorzutragen. Das sind zwar Soft-Skills, die man in Vorträgen und sowas toll nutzen kann, sie bringen aber auch eine weitere tolle Sache mit. Der Zuhörer rückt in den Mittelpunkt, denn er hat die Chance einer besseren Datenverarbeitung. Es ist ein Geben und Nehmen beim Lernen. Der, der weiß ist genauso am erfolgreichen Lernprozess beteiligt, wie der, der lernt. Ist mein Punkt klar geworden, ich hoffe es, denn ich plädiere eindeutig dazu, dass ein Vortrag, der für drei Stunden geplant ist, auch seine drei Stunden dauern sollte in ruhigem und moderatem Tempo, dann fällt die halbe Stunde Fragerunde am Ende eben weg. Für so etwas gibt es bei guten Vorträgen Hand-Outs. Wer wirklich Wissen weitergeben will, der richtet sich nach dem Wissenden und blubbert nicht bloß sein Wissen raus und freut sich, dass seine Überschrift ihm zu mehr Klicks verhilft. Ich empfehle allen Wissensvermittlern da draußen, dass sie sich in die Sicht des Wissbegierigen versetzen und sich die Frage stellen, ob sie das beim Erstkontakt alles so begriffen hätten. Es gibt viele gute Beispiele, aber eben genauso viele, die mit etwas Entschleunigung deutlich mehr Wirkung erzeugen würden.
In diesem Sinne...
vom Designer |
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