Sehr geehrter Herr Rummenigge,
Wie ich Ihren Worten aus diversen Quellen entnehme sind Sie der Meinung, dass Ihnen, die das Produkt Fußball vermarkten, das Produkt gehört? Ich hoffe als Fan und auch als gelernter Kaufmann, dass es sich nur um eine aus dem Zusammenhang gerissene und polemisierte Vereinfachung Ihrer eigentlichen Aussage handelt. Denn sonst würden Sie damit den Fan als Konsumenten Ihres angebotenen Produkts als solchen ausschließen und damit die Möglichkeit seiner Partizipation nicht nur geringschätzen, sondern für unnötig erachten.
Das wäre so, als würde ein Autohersteller Ware produzieren, um dann zu sagen, die gehören alle der Firma und wir brauchen keine Käufer. Ich bitte Sie, Ihre Bilanzen zu prüfen und alles an Einnahmen zu streichen (Ticketerlöse, Fanartikel/Trikotverkäufe, Fernsehgelder etc.), was auch nur im Entferntesten damit zu tun hat, dass der Fan etwas in Ihre Kasse spült. Wenn das dann für Sie genug ist, Sie mit den Zahlen zufrieden sind, dann können Sie Ihr Produkt meiner Meinung nach auch behalten.
Vielleicht ist Ihr Verein ja auch finanziell nicht mehr auf uns als Fans angewiesen, schön für Sie, dennoch empfinde ich es als überhöht, dies als allgemeingeltende Wahrheit zu verkaufen.
Sie sagen, es stört Sie, dass Menschen, die sich für Ihr Produkt interessieren eine gewisse Mitsprache dabei haben wollen, wie das Produkt aussieht? Fragen Sie mal einen Autohändler, wie individuell die Kundenwünsche an das Produkt ausfallen, das diese anbieten. Natürlich sind hier vom Hersteller Grenzen gesetzt, aber es findet immerhin ein Dialog statt, wo versucht wird, den Wünschen des Kunden zu entsprechen. Wissen Sie warum das so ist? Es ist der Versuch den Kunden davon zu überzeugen, dass er in das beste Produkt am Markt investiert und sehr wahrscheinlich sorgt ein guter Kundenservice gepaart mit einem Top-Produkt dafür, dass der Kunde beim nächsten Autokauf wieder als Erstes dieses Produkt wählt. Was heißt das nun für Ihr Produkt Fußball (wie Sie sagen)? Es bedeutet, dass wir Fans die Kunden sind, denen das Top-Produkt Fußball am Herzen liegt und die es gerne weiter supporten würden, weil es uns gefällt, wir hätten nur gern die Möglichkeit, das Ein oder Andere mitgestalten zu dürfen, zumindest theoretisch. Wir verlangen nicht, dass Sie als Vereinsverantwortliche alle zurücktreten und uns dem "Fußballpöbel" die gesamte Vereinsverantwortung in die Hände legen. Ich glaube wir sind uns einig, dass zwischen einer Fifa-Managerkarriere und der Leitung eines weltweiten Unternehmens basierend auf jahrzehntelanger sportlicher Konkurrenz mit Tausenden zu bedenkenden Variablen ein himmelweiter Unterschied besteht. Was wir fordern ist bloß ein klein wenig mehr Akzeptanz. Wir sind es, die bewusst überteuerte Trikots kaufen, die für einen Bruchteil dessen produziert werden, wir zahlen Ticketpreise weil wir das Produkt Fußball lieben und es zu erleben für uns mehr ist, als gesellschaftlicher Chic. Tatsächlich zahlen wir im Voraus, geben einen Vertrauensvorschuss, sind bei guten Spielen da, aber auch bei schlechten. Wir kaufen Ihr Produkt im Vertrauen darauf, dass es ein Premium-Produkt ist. Wir schaffen uns Sky-Abos an, damit wir uns Geisterspiele ansehen können, weil wir nicht mehr ins Stadion dürfen. Wir tun das, weil wir hoffen, dass unsere Gelder dem Produkt dienen und der Weiterentwicklung und Verbesserung eben dessen.
Die Einbahnstraße führt in unsere Richtung. Wie kann man denn Verantwortung von einer Gruppe fordern, die man gar nicht an der Debatte beteiligen will. Wir wollen nicht Ihr Geld, im Gegenteil, wir geben unser Geld und wollen, dass es gerecht verteilt wird. Mitsprache an einer Debatte zu fordern heißt noch längst nicht, Entscheidungen treffen zu wollen. Wir wollen nur gehört werden, Denkanstöße liefern und unser gemeinsames Produkt, Herr Rummenigge, das von Ihren Angestellten hergestellte und von uns zu erwerbende, verbessern und erhalten.
Jeder, der den Fußball liebt sollte dies als seine Grundpflicht anerkennen, und das tun sowohl wir als Fans und hoffentlich auch Sie als Vorstandschef des größten Fußballvereins unserer Zeit. Denn auch wenn uns gewissermaßen Welten trennen sind WIR doch nur gemeinsam Fußball und vielleicht hilft es Ihnen ja, sich selbst als Teil des Bündnisses "Unser Fußball" zu verstehen.
Meiner Meinung nach gibt es kein "Ich" in "Wir" und die eine Seite funktioniert nicht ohne die andere, zumindest nicht wenn es sich beim Profifußball weiterhin um ein Premium Produkt handeln soll, denn dieses beinhaltet eben auch die Fans und einen Fußball, den niemand mehr sehen will, wollen doch wohl weder Sie noch Wir.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Denkanstoß geben, auch wenn Sie diesen Brief vermutlich niemals lesen werden.
Mit freundlichem Gruß
Ein Fußballfan