12/21/2012

Einundzwanzig

Während die ganze Welt im Chaos versinkt und sich auf das große Fest der Liebe vorbereitet warte ich auf meine OP, die mir ein weiteres Leben ermöglichen würde... In frühester Morgenstunde werde ich von den lustigen Krankenfahrern zur Chirurgie gefahren und dort dann in eine Art Warteraum mit Bett gelegt, wo ich mir erstmals vorkomme, wie ein Stück Fleisch, dass auf Halde gelegt wird, bis man sich darum kümmern kann, obwohl so fühlte ich mich schon vorher oft, aber das ist ja eine andere Geschichte. Im Radio dudeln sie mal wieder die üblichen Weihnachtsklassiker und mir wäre fast ein wenig Kotze hochgekommen, wenn ich denn noch etwas im Magen hätte, aber da ich schon seit gestern Abend nichts gegessen hatte, war das wohl sehr schwierig... Also versuchte ich es zu ignorieren und wartete auf die OP, leider waren heute auch noch die Champions-League Auslosungen und das auch noch zum gänzlich ungünstigsten Zeitpunkt, wenn ich unterm Messer liegen soll... also musste ich die Annästhesisten dazu bringen mir direkt nach dem Aufwachen mitzuteilen, wer der Achtelfinalgegner des BVB ist. Die OP-Vorbereitungsfragen und mich aufzuregen war für mich halb so wild, genauso ungerührt ließ mich das Wiegen auf dem Schlachtbrett aus Stahl und die Erläuterungen, dass ich trotz der nur 45 Minuten dauernden OP durchaus dabei draufgehen könne... Halb so wild, wenn man aus dem Tal des Todes kommt oder? Nunja, dann mal los... Kick me out!!!


12/20/2012

Zwanzig

So habe ich mich zwischenzeitlich auch gefühlt als ich das 5:1 unserer Truppe über Hannover miterlebte, in einer kleinen Abstellkammer auf meinem tragbaren Fernseher und voller Gefühlschaos, ob der anstehenden OP am morgigen Tag, auch wenn der Chirurg es schaffte mir ein wenig die Angst zu nehmen und die Zweifel an mir und meinem Überlebenssinn nahm. Die Entscheidung LEBEN zu wollen habe ich doch schon getroffen, also warum sollte ich mich jetzt noch schämen, jetzt dafür zu kämpfen?
Ich bin mir bewusst, dass es noch ein weiter Weg ist, bis ich wieder annähernd der bin, der ich einst war, aber wenigstens im Kopf hat sich wohl was getan bei mir, in wie weit es hilft, werden wir sehen... vielleicht sprechen auch bloß die Pillen aus mir... oder das Trauma, Glücksgefühle oder sonstwas... Das beschissenste am Pokalsieg heute ist die Auslosung der nächsten Runde, denn da gehts nach München, mit diesem Gedanken gehts dann mal ins Bett...

12/19/2012

Neunzehn



Was für ein abgefuckter Tag ist das eigentlich, wenn einem endlich bewusst wird, dass man beinahe das wertvollste weggeschmissen hat, was man besaß, sein Leben? Das kann man bestimmt auch anders herum sehen, ich muss mich mit Zweifeln herum schlagen, warum ich es verdient hätte, weiter leben zu dürfen und gleichzeitig die Entscheidung treffen, WIE es denn weitergehen soll? Der Geburtstag einer verlorenen Liebe, eines geliebten Verlusts und der einzig verbliebenen Freude meines Lebens, des großen Sterns überm Ruhrgebiet... und dann auch noch Pokal gegen Hannover... das könnte ne enge Kiste werden... und morgen dann die OP?
Ich glaube langsam, dass die Mauern der Seele einzustürzen drohen und ich dem ganzen nicht mehr standhalte...
Ich bin heute viel umhergelaufen, dass ich den Kopf frei bekomme, aber im Grunde dreht es sich doch alles immer zurück zu der Schuld, die ich mir aufgeladen habe, warum nur, warum?
Und das erwartet mich dann demnächst, na super... bis zum Lebensende oder Transplantation? Scheisse aber wer leben will, der kann nur so entscheiden, oh Mann, wie ich mir das hätte ersparen können... :(






12/18/2012

Achtzehn

Langsam schwindet meine Hoffnung, dass ich es schaffe bis Weihnachten aus dem Krankenhaus zu kommen, vor allem deswegen, weil ich mir nicht sicher bin, wie gut oder schlecht es mir wirklich geht. Klar vom Gefühl her würde ich sagen, ich bin einigermaßen fit, diese Dialysen scheinen echt was zu bringen, deutliche Verbesserung des Lebensgefühls, wenn man mich fragt, aber ich bin ja trotzdem noch komplett kaputt.

Kaputt ist auch ein gutes Wort, um den gewaltigen Björnholm zu beschreiben, der auch heute den kompletten Tag außer Schlafen und ab und zu mal verwirrt aufwachen nichts getan hat, Manni war den Großteil des Tages unterwegs und nicht zu sehen, so wie ich auch für meinen Teil, denn was soll man schon machen, ich könnte natürlich grübeln und mir einen Kopf machen, aber ich war viel zu happy, dass ich keine Angst mehr hatte mich in "unbekanntem" Terrain zu bewegen und nutzte diese Tatsache so oft ich konnte. Außer den bescheuerten Zugängen hielt mich ja nichts wirklich auf und so erkundigte ich die unteren Stockwerke des Gebäudes, die ich in den letzten Tagen ja nur in liegender Position gesehen hatte und wurde sogar teilweise wieder erkannt und gegrüßt. Merkwürdig, ich fühl mich eigentlich gar nicht so, als würde ich krepieren, wenn ich nicht regelmäßig dialysiere, eigentlich fühl ich mich fit, ich könnte wieder gehn, wenns nach mir ginge...

Aber da gab es ja noch genug Gründe, warum das nicht passieren sollte, zum Beispiel würde ich vermutlich nicht einen Tag überleben ohne die Dröhnungen, die man mir hier verpasst und vor allem wäre ich vermutlich wesentlich schneller wieder hier, als ich mir vorstellen kann... Also verbringe ich meine Zeit lieber damit mich von meinem alten Leben zu verabschieden, denn das hab ich ja schließlich auch erfolgreich ausgelöscht, kann man das so sagen?

Ich weiß es auch nicht, morgen is erstmal Fußball!!! Und ich sollte eigentlich in der Kurve stehen und stattdessen hänge ich hier rum und hoffe, dass mein Zimmernachbar mich an seinem Sky-Paket teilhaben lässt und ich bei ihm mitgucken kann :D Obwohl ich glaube der BVB wird sogar im Free-TV übertragen! Naja erstmal pennen!!!

12/17/2012

Siebzehn

Ich bin mir gerade gar nicht sicher, woher das Märchen um Rübezahl, dem Herrn der Berge stammt, ich vermute einfach mal, dass es sich um eine tschechische Volksweise handelt, die dann zusammen mit den Erzählungen von Yetis und Riesen zu einem bärtigen Giganten wurden, der durch die Karpaten zieht und Wirtshäuser leer futtert. Ich denke bei Rübezahl irgendwie immer an eine der Verfilmungen, da gibt es diese eine Szene, die mir in Erinnerung geblieben ist, Rübezahl betritt ein völlig heruntergekommenes Wirtshaus irgendwo am Berghang von „KeineAhnungWo“ und bestellt ein Rührei. Der Wirt knallt zwei Eier in eine kleine Pfanne und hofft dem Giganten damit genüge getan zu haben, der wird aber total wütend und in der nächsten Einstellung sieht man ihn dann da sitzen, wie er eine komplette Pfanne Rührei spachtelt, die so groß ist, wie vier zusammengeschobene Tische. Fröhlich schmatzend und mit einer lustigen Musik unterlegt sieht man einem Riesen beim Rühreiessen zu. Und so was fand ich als Kind richtig klasse.Ich würde den Film glaube ich gern mal mit den Augen von heute betrachten, vermutlich würde ich aus dem Lachen nicht mehr herauskommen, auch wenn viele dieser tschechisch, polnisch, vorzusammenbruchssowjetisch produzierten Märchenfilme wirklich richtige Klassiker sind und von einer Authentizität leben, die heutige Filme einfach nicht mehr hinbekommen. Aber wieso eigentlich Rübezahl?
Besucht ruhig mal den Blog hier...
Eigentlich wollte ich ja eine Parallele zum Weihnachtsmann herstellen bei unserem neuen Zimmernachbarn, aber das fällt mir ob der offensichtlichen Abgerissenheit und Verwahrlosung deutlich schwerer und die Assoziation mit Rübezahl trifft von Kleidungsstil, Bewegungsabläufen und Statur viel direkter den Punkt. Auch wenn der „Weihnachtsmann vom Dach“, der gerade aus seinem Wald kommt auch das Potential gehabt hätte dem Björnholm gerecht zu werden. Der Björnholm, das war der neue auf unserem Zimmer, Manni und ich waren beide ein wenig unsicher, denn er redete nicht mit uns, vermutlich hatte er ernsthafte psychische Probleme. Dazu war er in einem wirklich jämmerlichen körperlichen Zustand, bekam Besuch nur von einer Sozialarbeiterin und schlief den ganzen Tag. Irgendwie war er eine Mischung aus unheimlich und Pflegefall, aber man konnte ihm ja auch nicht wirklich helfen. Er tat mir irgendwie leid, als er da so niedergestreckt lag, wie ein gestutzter Riese auf den Brettern, nachdem ihn ein vorlauter junger Kerl von den Beinen geholte hatte mit irgend einem miesen Trick vermutlich, erinnern wir uns an das Märchen von David und Goliath! Ich glaube irgendwie, dass ihm übel mitgespielt wurde und er jetzt hier gelandet war, weil der Körper sich mit verabschiedet hat, nachdem die Psyche nicht beachtet wurde. Im Grunde so wie bei mir, ich weiß nicht, ich glaub ich brauch dieses Gefühl der Sonderstellung einfach, das offen damit umgehen, einen solchen Fehler begangen und bereut zu haben ist das Eine, wirklich dahinter stehen zu können, dass es Teil der eigenen Vita ist, Scheiße in Massen gestapelt zu haben ist eine ganz andere Sache, ich glaube, dass die Bewusstwerdung mir noch bevor steht und heute mit der 2. Dialyse ist dafür keine Zeit, es ist alles noch viel zu neu und frisch und auch aufregend irgendwie. Klar ein wenig Angst schwingt mit, aber die erste war ja auch schon höchst erfolgreich und das wird ja jetzt nicht großartig schlimmer werden können. Also ab dafür.