12/04/2013

Eine Stunde bis zur Schlachtbank (23.01.2012)

Wieder mal eine Nacht damit zugebracht, sich im Bett hin und her zu wälzen. Ich würde nicht sagen, dass ich aus Angst oder Panik nicht schlafen konnte, es war mehr so, dass die Müdigkeit mir den gestrigen Tag gestohlen hat und ich dadurch die Nacht wach lag und Zeit zum Grübeln hatte. Aber worüber sollte ich noch groß grübeln, war es doch der vermutlich letzte Tag in Freiheit.

In ein paar Stunden würde ich in der Psychiatrie offiziell den nächsten Schritt hinab machen auf meiner langen Reise hinab zum Nullpunkt. Ich behauptete zwar in den letzten Wochen immer wieder ganz gerne, dass ich nicht mehr viel tiefer sinken könnte, aber dieser letzte Schritt war doch für mich so etwas wie der Gang zum Scheiterhaufen, wo dann meine Seele endgültig in Flammen meinen Körper verlassen würde um sich den Seelenjägern der psychologischen Medizin hinzugeben.

So lieg ich also da und versuche auf meinem ungemütlichen Behelfsbett im kleinen Gästezimmer irgendwie das Kissen in eine Form zu prügeln, die meiner Kopf und Nackenmuskulatur am wenigsten Schmerzen zufügt und versuche ein wenig zu entspannen. Aber nichts da, auf einmal piekt mich etwas im Nacken ich fühle mit der Hand langsam die Stelle am Kissen nach und das Pieken verschwindet wieder, kaum liegt der Kopf wieder da, sticht es wieder. Wutentbrannt richte ich mich auf und schüttel das Kissen erneut aus und mir entgegen entweichen zwei kleine Federn aus dem Kissen. Ich dachte so bei mir, das wird es ja wohl gewesen sein, klopfe mir das Kissen wieder in eine mehr oder weniger halbwegs ertragbare Position und lege mein Haupt erneut ab, schließe für ein paar Minuten die Augen und höre das Ticken der verhältnismäßig lauten Uhr.
Ohne Witz, diese Uhr ist so verdammt laut, dass man sie in allen Zimmern der Wohnung hört, wenn alle schlafen. Tick Tack! Tick Tack! Die Zeit scheint zu verrinnen, doch Pustekuchen. Noch knapp 3 Stunden, dann muss ich mich schon wieder aufmachen und ich mache mir Gedanken, ob das letzte Mahl, welches ich am Vorabend zu mir nahm, denn gut genug geschmeckt hat, als dass ich es als würdige Henkersmahlzeit empfunden hätte. Während ich so darüber nachdenke merke ich, dass ich anfange zu zittern. Erst beschlich mich das Gefühl, dass es wohl ein kleiner Angstschub sein könnte, der mich umfasst. Allerdings war es mehr so, dass die Hände oberhalb der Bettdecke eiskalt waren und auch das Zimmer scheinbar ausgekühlt war.

Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn man stirbt, aber man hört ja ab und an mal in Filmen davon, dass es kalt wird, bevor man dann gehen muss. Es ist nicht so, dass ich in diesem Moment Angst hatte zu sterben, aber es wurde bitterlich kalt. Ich konzentrierte mich auf die Kälte und das verstärkte das Gefühl nur. Wie Packeis, das sich langsam um alles herumklammert kroch die Kälte in mir hoch und ich begann zu zittern. Ich hätte aufstehen können und die Heizung anschmeissen können, aber was hätte das gebracht? In erster Linie hätte es wohl gar nichts gebracht, da in dieser Wohnung nur tagsüber geheizt werden kann. Das heißt, ist man Nachts wach und draußen ist die Temperatur nicht unter 5 Grad, dann heizt die erstmal gar nicht, egal ob an oder aus. Großartig! Verdammte Kacke! Hier ziehts aber, dachte ich mir, während ich das so denke bemerke ich wie mein Köper sich in die fötale Stellung begibt, um Wärme zu halten. Ich erinnerte mich daran, dass man durch die Reduzierung von Fläche, die Temperatur auf einen kleineren Raum zusammenstauchen konnte. Nun ja, anfangs hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass es etwas brachte und ich drehte mich zur Wand, um wenigstens noch ein wenig Ruhe zu finden, wenn ich auch nicht schlafen konnte.

Aufstehen wäre auch eine Option gewesen, bei der Kälte allerdings eine die ich verworfen hatte, ich zitterte mich also in eine Art Delirium, da klingelt mein Handy. Entnervt griff ich auf die neben dem Schlafsofa stehende Kommode und nahm den Anruf entgegen. Eine wohlbekannte Stimme meldete sich, es war die Stimme meiner Schwester, die mir davon erzählt, dass ich eingeschlafen sei und neben meinem Bett stehe. Ich dachte mir, dass sie betrunken sei und blicke mich nervös um. Tatsächlich stehe ich selbst neben mir am Bett und blicke auf meinen zitternden Körper herunter, der in einem fahlen blau beleuchteten Raum liegt. Ich frage mein Schwesterlein, was der Schwachsinn denn jetzt soll, da verändert sich ihre Stimme und ich höre mich selbst im Echo, aber ich sage etwas anderes und sehe mich selbst zum Handy greifen. WTF?

Mittlerweile liege ich neben mir auf dem Schlafsofa und das andere Ich nimmt mich an die Hand, ich habe kurzzeitig das Gefühl, dass mir wärmer geworden ist, dann drückt mich etwas in das andere Ich und drückt weiter, bis ich zur Hälfte in der Wand stecke. Mein Schwesterlein steht nun am Bett und ich sehe sie verstört an und hauche noch leise: "Hilfe".

Dann wache ich auf, sehe auf die Uhr und bemerke, dass ich hellwach war. Noch eine Stunde bis zur Schlachtbank, doch ich war ganz ruhig. Ich hatte sogar das Gefühl, dass dieser Hilferuf irgendwo in meinem Unterbewusstsein rumgelungert hat und nur darauf gewartet hat, dass er raus durfte zu mir. Vielleicht war das jetzt auch der endgültige Punkt die Wende einzuleiten, um mein verkorkstes Leben wieder einigermaßen in eine geregelte Bahn zu bringen.

Fast automatisiert schwinge ich mich voller Elan aus dem Bett, kleide mich an, verschwinde im Bad und mache alles so, als wäre ich wieder ganz der Alte. Die Angst vor dem Termin beim Psychiater kam erst hoch, als ich im Wagen saß und auf den Parkplatz des Klinikkomplexes sah, dass es jetzt keine Phantasie mehr ist oder ein fernes unscharfes Bild, sondern tatsächlich geschehen würde. Allerdings hielt es sich doch eher in Grenzen mit der Panik. Dumm und unerfahren, wie ich in solchen Dingen glücklicherweise war, hatte ich natürlich erst einmal das falsche Gebäude auserkoren für meinen ersten Anlauf. Wieder ein Rückschlag, wieder daneben gelegen. Obwohl so kann man das nicht sehen, ich habe eigentlich nur auf den Rat meiner Begleitpersonen gehört. Sowas sollte man sich immer mehrmals überlegen. Ich glaube, dass denen nicht bewusst war, welche Folge deren Fehlentscheidung hatte. Ich hatte nichts gegessen und war gereizt, ob der letzten Nacht und dann muss ich auch noch mit meinen begrenzten Kraftreserven ein Gebäude auf einem Berg erklimmen. Ich wäre auf dem Weg dorthin beinahe kollabiert, weil ich den Anstieg nicht geschafft hätte, wenn ich nicht zwischendurch kräftig durchgeschnauft hätte.

Naja und dann verlief ich mich auch noch direkt auf die Station der Tagesklinik, wo man mich freundlich darauf hinwies, dass die Anmeldung im Untergeschoss war. Nun ja, das war dann auch alles kein Problem, doch dann musste ich warten. Mit zitternden Knien und bleich wie eine Kalksäule stand ich dann vor der Sekretärin und fühlte mich, wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal alleine ein Brötchen am Kiosk kauft. Ganz schrecklich, ich weiß gar nicht, wann ich mich jemals so ausgeliefert gefühlt habe. Beim Überreichen meiner Überweisung zitterte ich am ganzen Laib und ich konnte auch keinerlei Blickkontakt halten. Ich hatte das Gefühl, dass man mir ansehen konnte, wie kaputt es in mir aussehen musste.

Und dann war Warten angesagt. Das Warten in einem Wartezimmer ist generell ja eine sehr interessante Angelegenheit, weil man durch das Beobachten und Zuhören und einfach nur da sein viel über seine Umgebung lernen kann. Interessant ist sowas bei einem Allgemeinmediziner, weil man dort über die Leiden von verschiedensten Leuten erfährt, Lebensgeschichten offen diskutiert werden, scheinbar interessiert die meisten Leute ihre Privatssphäre in solchen Situationen nicht mehr, weil sie sich sicher fühlen oder es ihnen egal ist, dass andere vielleicht mithören können, wenn sie in voller Lautstärke über irgendwelche Geschlechtskrankheiten reden oder sonstwas, was ich gar nicht wissen will. Es ist allerdings dennoch interessant.

Hier war die Situation eine ganz Andere. Nicht nur, dass es mir generell relativ egal war, was um mich herum stattfand, ich war anfangs noch nicht einmal interessiert daran, als eine Gruppe "Insassen" sich über einen Termin des Gehirnjoggings unterhielt. Wirklich interessant war eigentlich nur die junge gutaussehende "Insassin", die auf Socken durch den ausladenden Warteraum schwebte und scheinbar wirklich ernste Probleme zu haben schien. Wäre ich ein wenig stabiler gewesen, hätte ich sie vermutlich angequatscht und hätte nicht beschämt den Blickkontakt gescheut. Außerdem habe ich gefroren wie sonstwas. Wie kann ein so großer Raum eigentlich nur von einem Heizkörper beheizt werden sollen? Das Zittern war ausnahmsweise nicht angstinduziert sondern tatsächlich eine Reaktion auf die Kälte, verstärkt durch das immer noch nichts gegessen haben und die Übernächtigung.

Als die Gesockte wieder verschwunden war, folgte ihr quasi eine ganze Ärzteschar, denn (so zumindest meine Vorstellung von ihr, basierend auf meinem ersten Eindruck) auf Station hatte sie wohl einen kleinen Alarm ausgelöst, was mir dann doch ein kleines Lächeln abrang. Das nächste Lächeln kam in mir auf, als ich den Psychiater traf, ich nenne ihn mal "Lucien Favre", denn er hatte einen so schönen Dialekt, dass ich ihn einfach nicht ernst nehmen konnte. Das Gespräch dauerte circa 5 Minuten und begann mit den Worte: "Hallo, ich hab keine Zeit für Sie..." Ideal, wenigstens beginnt man nicht mit einer Lüge und der Heuchelei, dass man wirklich Hilfe zu erwarten hat. Hilfe sagte man mir zwar auch zu, aber das solle dann die Therapie und die anschließende Behandlung bringen, seine Aufgabe sei nur abzuklären, in welcher Richtung das alles weitergehen wird.

Dann endlich ging es wieder heim und ich konnte endlich etwas Essen!

12/03/2013

Jahrestag!

Hey Freunde,

heute ist es mal wieder soweit, Jahrestag! Normalerweise ist so etwas ja immer ein glückliches Ereignis oder wenigstens eines an das man mit positiven Gefühlen zurückblicken sollte, aber mich erinnert es bloß daran, wie mir mein Leben vor 8 Jahren begann zu entgleiten. Ich gebe ihr gar nicht die Schuld, weil sie nie für irgendetwas die Verantwortung übernommen hat und daher natürlich auch keine Schuld haben kann, weil sie ja im Grunde immer nur passiv war, immer bloß genommen hat und nie gegeben. Hätte ich rein theoretisch also eigentlich auch gar nichts verlieren können, als sie gestorben ist, oder?
So ist das wohl, wenn einer mehr liebt als der andere... so sehr, dass es weh tut und das noch lange nach ihrem Tod. Ich weiß nicht, wie lange ich geweint habe, wie viele Fragen ich mir stellte, warum ich nichts tun konnte, sie zu retten, einfach irgendwas zu tun...
Die Trauer hat mich beinahe zerstört, ich habe mich lange Zeit so verloren gefühlt ohne sie, dass ich mir einen langen qualvollen Suizid ausgedacht habe und begann ihn umzusetzen...
So etwas Dummes, Freunde! Letzten Sommer habe ich gemerkt, dass das keine Lösung ist, hab mich aufgerappelt und wieder angefangen zu leben. Dann kam im Winter die Folge des langfristig angelegten Suizidversuchs und brachte mich für 4 Wochen ins Krankenhaus. Kurz danach ist der nächste Mensch gestorben, den ich wie eine Schwester geliebt habe und ein großer Teil der Verwandtschaft hat sich abgewendet. Der Weg zurück ins Leben war nicht leicht. Heute 8 Jahre nachdem ich in die Depression abgesunken bin kann ich behaupten wieder relativ stabil zu sein. Jetzt brauch ich nur noch wieder ein eigenes Leben, eigene Wohnung, eigenes Geld...
Trotz allem, werde ich dich immer in Ehren halten, denn vielleicht ist das Alles notwendig gewesen und darum ist unser Jahrestag auch immer ein Tag des Dankes wert.

12/02/2013

Konsumzombies am Glühweinstand

Liebe Freunde,

wenn ihr in den nächsten Tagen auch einen Besuch des von euch bevorzugten Weihnachtsmarktes plant, passt bloß auf euch auf, es ist dieses Jahr besonders schlimm. Auch die letzten Jahre war es schon teilweise gruselig, wenn man sich während man mit steigendem Pegel durch die Straßen voller Menschen geschoben wurde umsah und den vermeintlichen Menschen mal ins Gesicht schaute. Oft sah man in die leeren Augen von überschminkten Altsinglemodellen, die ihre besten Jahre lange hinter sich haben und deren größter Erfolg der Wurf zweier quengelnder Minimonster ist, die wie angekettet an den erschlafften Fortsätzen der Arme neben ihnen hergeschleift werden. Dazu kommen die betrunkenen älteren Herren, die einen aus 3 Metern Entfernung anhauchen und man trotzdem genau weiß, wie viel Glühwein die schon intus haben. Außerdem turnen noch die ganzen Paketjünger und Tütenträger dazwischen herum und stoßen an jeden an, der nicht schnell genug ausweichen kann und sind dann noch beleidigt oder sauer, wenn man sie einfach mal wegcheckt und dann grinsend weitergeht, wenn das Paket dann in der matschigen Pfütze liegt... Und man hat das Gefühl ALLE sind im Stress, weil sie eben da sind. Die Frage, die sich stellt ist, warum kommt ihr auf den Weihnachtsmarkt, wenn es euch stresst, warum tut ihr euch und vor allem mir das an, wenn es euch so sehr stört? Seid ihr wirklich so ignorant, dass ihr glaubt, weil es letztes Jahr schon überlaufen war, dass es dies Jahr, weil IHR da seid, nicht so ist...? Bestellt doch von zuhause, wenn euch das alles zu viel ist, das erspart euch und mir so viel Stress!
Ich mag Weihnachtsmärkte, nur die mittlerweile völlig übertriebene Zombifizierung der Massen, die komplett hirnlos von einem Laden in den anderen laufen und zwischendurch mit Alkohol ihren Shoppingfrust betäuben lassen mich zweifeln, ob es wirklich erstrebenswert ist, wieder mehr unter "Menschen" zu gehen...
Naja 22 to go!

12/01/2013

Ausgebrannt (Dezember 2007)

Ein schwelend Feuer
in dunkler Nacht
ein gleißend Licht
in Finsternis

Ein kurzer Krieg
von dreißig Tagen
und doch kein Sieg
nur tausend Fragen

Gefallen vom Himmel
aus Träumen erwacht
gestutzte Flügel
uns stark gemacht

Der Feind von allen
von nichts geliebt
in uns versunken
auf dass nichts mehr blieb

Ein helles Feuer
am letzten Tag
alles verbrannt
ein Massengrab

Halt unsre Asche
in meiner Hand
bis sie der Wind
verteilt aufs Land!


Ich hoffe euch gehts gut!

Heute beginnt sie also mal wieder, die Adventszeit, wenn überall Lichter glühn und die Familien wieder näher rücken und all der ganze Scheiss, mit dem wir uns Jahr für Jahr vorlügen, dass wir nicht bloß Fleischklumpen mit zufällig etwas zuviel Gehirn sind, die ohne Sinn und Weitersinn durch die Welt irren und nach Dingen streben, von denen sie nach ihrem Ableben sowieso nichts mehr haben...
Warum also das Ganze?
Nun es gibt einem ein wohlig warmes Gefühl, auch wenn es nur eine Illusion ist, es hilft gegen die innere Einsamkeit und die Finsternis in unseren Herzen, die wir immer nur dann spüren, wenn das Licht ausgeht. Klingt das zu deprimierend für den 1. Dezember?
Vielleicht liegt das daran, dass es in meinem Leben einfach kein wirkliches Licht mehr gibt, die Kerzen die ich immer und immer wieder anzünde werden vom Dauerregen gelöscht, das ewige Aufstehen nach dem Niederknüppeln hat mir den Rücken kaputt gemacht und meine Wohlfühlzone gleicht einem Schweizer Käse der ausschließlich aus Löchern besteht. Warum kommt es mir so vor, als müsste ich für das Glück anderer leiden? Warum kann mir nicht mal was Gutes widerfahren? Hab ich es nicht auch mal verdient nicht immer nur der tragische Held in der Geschichte zu sein?
Ich weiß, dass es töricht ist zu hoffen, aber ich hör trotzdem nicht damit auf. Auch wenn es immer wieder aufs neue Enttäuschung heraufbeschwört, über Dinge, Menschen und manchmal sogar mich selbst... 23 to go!