7/31/2022

10 Jahre Vol. 07 - INTENSIV - Teil II

Und wieder wich das Leben aus mir, Schlaf, Bewusstlosigkeit, Wiederbelebungsversuch notwendig, ich hatte vollkommen den Bezug zu weltlichen Dingen wie Raum und Zeit verloren, alles fühlte sich an wie endlose Träume unterbrochen von verstörenden Bildern der Realität, in denen ich mich selbst mit Abscheu und Verachtung wahrnahm, bestehend aus einem eingefallenen Bauch, überall Schläuchen und Geräten, die mich aussehen ließen wie eine imaginäre BORG-Version von mir, nur ohne die Power und das Gemeinschaftshirn.
-
Ich klingelte einen Pfleger, Assistenzart oder wen auch immer zu mir, obwohl ich das Gefühl hatte, nebenan würde gerade auch gearbeitet, ich hörte laute Geräusche und Helene Fischer trällerte ihr "Atemlos" aus irgendeinem Radiogerät. Es war das erste Mal, dass ich auf den Text achtete während ich unter schwerem Atmen unter Todesangst leidend mein Geschäft verrichtete. Nebenan wurde das Radio lauter gedreht und ich malte mir unglaubliche Dinge aus, die dort hinter dem Vorhang geschahen. Als das Lied zu Ende war hörte ich sie tuscheln: "Von uns war heute Nacht keiner hier, ist das klar?", "Was machen wir mit dem da?", ich fühlte mich angesprochen und versuchte so zu tun als ob ich weggedämmert bin. Der Vorhang wurde vorgezogen: "Der ist so weggeballert, der kriegt gar nichts mit..." Ich hörte wie ein Bett weggefahren wurde und zwei Männer leise miteinander fachsimpelten: "Die Knochen kannst du direkt zu mir bringen, ich hab da schon ne Idee!", "Atemlos durch die Nacht..."
-
Ich wachte wieder auf, es schien morgen zu sein, eine Art Loft, eine Badewanne unglaublicher Gestank und einer der Assistenzärzte, die sich seit ich weiß nicht wie lange um mich kümmerten saß an seinem Schreibtisch und feilte an etwas, dass ich nicht genau erkennen konnte. Er drehte sich zu mir und hielt in seiner Hand einen Knochen, ich erschrak. Er versuchte mich zu beruhigen und sagte: "Der ist nicht von einem Patienten, das ist nur ein Testobjekt, damit ich schonmal ein Gefühl dafür kriege...", er wies mit dem Finger zur Wanne und ich sah, dass in ihr eine zerstückelte Leiche lag, blutüberströmt, noch den OP-Mantel oder diese Kutte an, die man auf Intensivstation so an hat bevor es ans Eingemachte geht oder eben aus Gründen. Ich wünschte mir, ich träume, doch dem war nicht so. Er ging hin und holte sich einen Arm, den er dann mit einer Art Hochdruckreiniger von den Fleischstückchen befreite, die noch daran herum fransten bis nur noch die Knochen übrig waren und setzte sich mit der Hand und den Ellenknochen an den Schreibtisch und begann mit einer Miniflex am Knochen rum zu schleifen. "Das machen alle Medizinstudenten, keine Panik, wieder Zeit für die Medis oder?", wandte er sich an mich und ich dämmerte weg.
-
In den folgenden Tagen wurde der Vorhang gar nicht mehr vorgezogen, fast stündlich wurde auf dem Metalltisch neben mir ein Mensch geschlachtet, mal mit dem Oberarzt, mal ohne? Ich fragte mich jedes einzelne Mal, wann ich der nächste bin. Meine Angst war unerträglich. Eines Tages kam der Oberarzt wutentbrannt herein und brachte drei Leichname in Plastik eingewickelt an einen Garderobewagen gehängt mit und schrie den Medizinstudenten an: "Ich habe für saubere Ware bezahlt, der Kunde ist nicht zufrieden, die kann ich nur noch an die Krankenhausküche verschenken, es fehlen Knochen!" Stille, doch nur kurz. "Was sie in Ihrer Freizeit machen, ist mir egal, aber Sie können nicht einfach die Knochen von bestellter Ware entfernen. Das wird Konsequenzen haben.", Wütend ging er weg, die drei Leichen standen mitten in meinem Blickfeld. Der Medizinstudent zog den Vorhang vor und ich hörte das Geräusch seiner Miniflex und der Geruch von verbranntem Fleisch machte sich im Raum breit.
-
Es war Tag, ich freute mich, dass man mich endlich mal in eine aufrechte Position gebracht hatte, dadurch konnte ich endlich auch mal den Raum sehen, in dem ich war, eigentlich schon schön hier, dieser Landhausstil mit Holz vertäfelte Wände, ein großes Fenster von dem aus man direkt auf den Klinikeingang gucken konnte, es musste der erste Stock sein. Verrückt war nur, dass in dem ganzen schicken Landhausstil die Tür zu dem Raum in dem wir waren aus Stahl und mit einem Drehradmechanismus geschützt war, so wie man es von Schiffen kennt. Man hatte mir irgendwas von Dialyse erzählt und mir eine Schwester geschickt, die das alles irgendwie durchführte, ich habe keine Ahnung, was die gemacht hat, ich konnte meinen Blick nicht vom weißen Vorhang abwenden, der durch die ganzen Todeskäfer, wie ich sie nannte nahezu schwarz war und dort krabbelten sie und krabbelten und ich wusste ja genau, dass nebenan noch die drei verwesenden Leichen lagen. Ich fragte die Schwester, ob sie die Käfer auch sehen würde, weil ich aus irgendeinem Grund die Möglichkeit in Betracht zog, dass ich halluziniere, wäre ja ne extrem gute Erklärung für das kranke Zeug, was die letzten Tage so abging. Sie schüttelte den Kopf und verneinte, kurz darauf verließ sie das Zimmer. Ich habe sie nie wieder gesehen.
-
Als ich wieder bei mir war flackerte der Vorhang in allen Farben des Regenbogens und durch das Radio hörte ich gerade die Nachricht, dass Arminia Bielefeld einen wahnsinnigen Transfercoup gelandet hat und den ehemaligen Dortmunder Tomáš Rosický verpflichtet hat. Dieser würde in Kürze am Eingang erwartet. Ich sah aus dem Fenster, wo sich schon eine Menschenmenge aus Presse und Fans eingefunden hatten. Ich glaube dann bekam ich Besuch von meinen Eltern und alles war wieder normal, zumindest bis es dunkel wurde. Da passierte auf dem Flur etwas, dass ich kurz sehen konnte als die Schiffstour einen Spalt weit offen stand. Offensichtlich waren K.I.Z. auf ein Konzert vorbei gekommen, ich bildete mir ein im Gang leise "Spasst" zu hören, ich zweifelte, weil ich immer mehr klare Momente hatte und immer mehr an der Realität der letzten zwei Wochen zweifelte, die ich aus dem künstlichen Koma erwachte. Wahnsinn, was Drogen, die man zum Überleben bekommt doch für eine Scheiße produzieren, wenn man entwöhnt wird.
-
Meine Handgelenke schmerzen, weil die Infusion an der Stelle hängt, an der ich damals anfing um Hilfe zu schreien, eine sehr unangenehme Stelle, Moment mal, Schmerzen? Alles schmerzt eigentlich, gebt mir irgendwas, mein Blutdruck ist über 200, ich habe Schmerzen!!! Wo zur Hölle bin ich eigentlich? Meine Gedanken überschlugen sich. Der Raum war in blau gefliest und alles hatte einen cleanen Stahl-Look, ein Intensivbettzimmer, wie ich es schon so oft gesehen habe. Der Medizinstudent war auch da, er sagte: "Ich bin ganz vorsichtig, den Zugang brauchst du jetzt nicht mehr!", er zog die Nadel aus der Hauptschlagader am Handgelenk und mir kamen die Tränen, jetzt war ich am Ende doch noch dran. Aber irgendwas war anders, zwei Typen, die wie Rettungssanitäter aussahen schoben mich aus dem Raum, eine ganz normale Tür, ein ganz normaler Krankenhausgang, ich verstand gar nichts mehr. "Wir bringen sie zur Dialyse", ich dachte ich hätte meinen Verstand verloren, aber das jetzt schien die Realität zu sein.
Gerade einmal 48 Kilogramm brachte ich auf die Waage, als ich das erste Mal selbstständig eine solche betreten konnte (am Tag meines Todes waren es 68,5 gewesen) und im Anschluss vier Stunden lang meinen Kopf geneigt halten musste, damit die anschließende Dialyse ordnungsgemäß laufen konnte über einen am Hals eingeführten Herzkatheter, der mir das Leben rettete, solange ich noch keinen Shunt hatte.

7/30/2022

Genau so kaputt

Ihr wisst schon Bescheid, es gibt nur einen Menschen auf dieser Welt mit dem ich über "Alles" reden kann und der Grund dafür ist ein unfassbarer "Schaden", der uns vereint und trennt gleichermaßen. Es gab eine Zeit, da hat es uns vereint und wir steckten die Welt um uns herum in Brand, immer, überall... schwarzes und weißes Loch auf Supernova-Tour.

Doch unter der Asche, hinter dem Ereignishorizont ist es eine unglaubliche Präsenz, die ich spüre. Über hunderte Kilometer, über Welten hinweg, die uns trennen. Ein Verständnis, wie ich es sonst nur... nein, wie ich es nicht kenne, als würden wir das selbe Leben leben, zeitversetzt und mit anderen Startpositionen, aber irgendwie identisch, die gleichen Prüfsteine, dem einen früher, der anderen später in den Weg gelegt, die gleichen Erkenntnisse, die gleichen Konsequenzen, eins im Geiste.

Einerseits euphorisierend und beflügelnd, andererseits hochgradig beängstigend, weil wie Anti-Materie, solange man sie weit genug von Materie fernhält ist alles in Ordnung, dann erschaffen wir Leben, Liebe, Freude, alles was gut ist auf dieser Welt, doch wehe wir begegnen uns.

Und doch gibt es mir Kraft bei mir zu bleiben und dem Weg, den ich gehe, denn es ist der Richtige.

Und verdammte Axt, wir sollten uns alle nur mit Menschen umgeben, die uns gut tun, auch wenn manche nicht für den direkten Kontakt geeignet sind, sondern nur in geringen Dosen gut tun, es sind jene die uns in unserer Selbstverwirklichung weiterbringen und welches größere Ziel kann man haben, als zu einem ganzen Ich zu werden? Naja und auf dem Weg dahin, kann man sich ja auch noch den Ein oder Anderen Traum erfüllen... oder?



7/28/2022

Kulturelle Aneignung!

Definition:

"Kulturelle Aneignung (engl. Cultural appropriation) referiert gemeinhin auf eine kontroverse, negativ konnotierte Praxis. Im weitesten Sinne beschreibt sie die Inanspruchnahme von Dingen, Praktiken oder Traditionen aus einem kulturellen Kontext, der nicht der eigene ist." (www.ikud.de).

Also ungefähr so wie Weihnachten, welches wie viele andere Bräuche und Sitten von der Christenheit in ihr eigenes Mischmasch aus Bräuchen überführt wurde und so getan wird, als hätten sie es erfunden. Oder Riccola, wenn es nicht von den Schweizern kommt.

Ok, ich verstehe den feinen Unterschied zwischen Integration und Aneignung, andererseits auch wieder nicht. Ist es nicht toll, wenn jemand fremde Gebräuche nicht mehr als fremd ansieht und sie lebt wie die eigenen? Sind wir dann nicht auf dem Weg zu einem gemeinsamen "WIR" und ist das nicht besser als sich wegen verschiedener Traditionen auseinander zu dividieren?

Und dann beschweren sich irgendwelche Vollhorstis, dass weiße Dreads tragen? WTF? Nicht nur, dass eine Frisur nichts über die Kultur aussagt, ich selbst wollte auch mal welche tragen, leider habe ich die Haare nie lange genug wachsen lassen. Aber wessen Kultur eigne ich mir da an? Wenn ich das recht erinnere sind es die Rastafari und die sind doch friedlich und wenn ich Solidarität mit jenen zeige, die ich mag? Was eigne ich mir an? Aneignung ist doch Diebstahl oder nicht?

Wenn der Ölprinz, bei dem ich meinen Hausstand untergestellt habe, damit ich ihn, sollte ich ihn brauchen, weil ich zum Beispiel eine neue Wohnung suchen muss, meine Sachen für sich benutzen, dann ist das Aneignung, wenn ich seine Frisur trage und das auch noch in der Öffentlichkeit eigne ich mir doch nichts an?

Was ist denn mit der Welt los? Hat Corona euch denn echt allen das Hirn weggebrutzelt? Die Nachrichten werden immer bizarrer, die Menschen tun immer merkwürdigere Sachen und das nicht nur da draußen, ich erlebe gerade privat eine Ähnliche Verkehrung der Realität, die Wahrnehmung einiger, die mit dem was wirklich geschieht kollidiert. Sorry Ölprinz, aber damit bist dann auch du wieder gemeint, denk mal drüber nach ob ich jemanden, den ich beschenke dafür verantwortlich machen kann, dass ich das was ich verschenkt habe, nicht mehr habe! Und ich will meine Gläser wieder!!!

Durchgeschleppt!

Wenn einem immer wieder irgendwas erzählt wird, dann fängt man ja an, an sich zu zweifeln und vielleicht haben der Ölprinz und seine Schergen ja doch Recht. Ich habe mir mal die Mühe gemacht und alle Situationen aufgeschrieben in denen wir durchgeschleppt wurden:

1. ???

hm... kam mir gleich komisch vor, wahrscheinlich ist das das Problem, man hat jahrelang wen durchgeschleppt, nur das waren gar nicht wir. Krass, das muss man doch merken oder?

Zum Narzissten verzogen?

Kennt ihr das auch, dass man immer wieder das Gefühl hat, die Kids bedürfen der Führung und kriegen nichts alleine hin?

Ich meine klar, wir sind als Eltern ja dafür da ihnen die Welt näher und ihnen alles beizubringen, aber nach dem zehnten Mal zeigen, sollten sie es doch hinkriegen, wobei das ist noch nicht das Schlimmste. Ich denke mir dann, dass es Sachen gibt, für die ich auch Ewigkeiten brauche, bis ich sie drauf hatte und deswegen kann ich damit auch noch leben, aber unser Größter scheint sich teilweise dem Lernen zu verschließen, was haben wir da falsch gemacht? Und er fürchtet sich vor Entscheidungen, es ist fast, als wenn man ihm alles vorleben muss, damit er es nur noch nachmachen muss ohne darüber nachzudenken, warum er etwas tut. Ich dachte eigentlich, dass wir ihn antiautoritär dazu erzogen haben, über seine Entscheidungen Herr und Meister zu sein und sie für sich selbst treffen könne. Manchmal habe ich das Gefühl, ich hätte als Vater versagt und mein Sohn will lieber willenloser Roboter sein, als eigenständiges Individuum.

Liebe Eltern unter euch, mach ich was falsch oder ist das so eine Trotz- und Bedienphase mit ca. 5 Jahren? Ich merke zum Beispiel auch gar keine Sozialisation durch den Kindergarten, als ob ihm die Menschen um ihn herum gar nicht interessieren, wenn er nicht in deren Mittelpunkt ist... Habe ich einen Narzissten herangezogen, kann ich das noch verhindern, geradebiegen?

Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich genau die Person heranziehe, die ich mit allen Mitteln versucht habe nicht in diese Welt zu setzen, wo ich und Teile meiner Familie so sehr unter Narzissten gelitten haben.