Vorsicht! Dieser Text kann große Teile von Glauben enthalten!
Gott kann alles tun, kann alles richten und alles erkennen; an uns, über uns und in uns!
Ich wurde vor Kurzem gefragt, ob ich wütend oder traurig sei, krank zu sein und meine spontane Antwort war nein! Ich habe das dann in der mir üblichen Form ein wenig ausgeführt und dabei ist mir klar geworden, dass ich es nicht bin. Ich bin darüber nicht wütend, natürlich könnte ich es sein, aber ich habe mich nie gefragt, warum Gott ausgerechnet mich nicht heilt. Irgendwie ist mir diese Frage nie in den Sinn gekommen. Klar find ich es nicht gut, so wie es ist. Klar stört es mich in meiner persönlichen Verwirklichung, dass ich jeden zweiten Tag einen halben Tag wegschmeißen kann, aber ist das wirklich so? Sehen wir es uns mal im Detail an. Ich habe viele neue Kontakte kennen gelernt, gute Bekanntschaften, Freunde kennen gelernt, die mein Leben bereichern. Menschen, die mich nehmen, wie ich bin, beschädigt und diesen Schaden aber gar nicht sehen, sondern die Person dahinter. Ich habe Menschen kennen gelernt, bei denen das ganze Geplänkel um falsche Eitelkeiten und Fassade wegfällt, weil man sich in Phasen der größten Verletzlichkeit kennen gelernt hat. Diese Menschen werden sich nie zurückgesetzt fühlen, wenn man ihnen sagt, dass es einem nicht so gut geht, weil man gerade von der Dialyse kommt oder dass man sich nicht treffen kann, weil der Kreislauf absackt oder hinterfragen, warum man denn eigentlich keinen Job hat und sich nicht "bemüht".
Den einfachen Menschen ein einfaches Schicksal, wir bekommen nur soviel auferlegt, wie wir tragen können. (vgl. 1. Korinther 10,13) und jenen, die es ertragen, das was sie ertragen. Ich habe in der Vergangenheit oft gefragt, wie ich das Alles überleben konnte, es war mehr der Zweifel an mir und meiner Stärke, als dass ich je auf die Idee gekommen wäre, ich könnte besonders sein. Andere sagen so etwas, ich bin bloß ich und es war ein weiter Weg das als die beste Form von mir anzuerkennen. Die Unvollkommenheit und die damit verbundene Klarheit über das Leben als etwas, das man annehmen darf, weil es ein Geschenk ist, weil es seiner Güte entspringt, seiner Liebe; diese Unvollkommenheit als Stärke zu erkennen und nicht als Schwäche ist mit Gott gehen. Jeder wäre gern besser, aber zu welchem Preis, es ist ein schmaler Grat auf wessen Rücken man seiner Selbstverwirklichung näher kommt. Es gibt immer den leichten Weg, doch dafür braucht es keinen Glauben. Ich denke, das ist der Weg jener Versuchung, die oberhalb dessen liegt, was wir zu erreichen in der Lage sind, es ist die Brücke über das Tal, die Flugmaschine zum Himmel, die Rakete zur Sonne; die Abkürzung. Ich glaube es ist der Weg, der uns keinen Lerneffekt beschert. Gott will, dass wir lernen, dass wir als Menschenkinder reifen und erwachsen. Der Weg durchs Tal ist der harte Weg, voller Rückschläge und Unwägbarkeiten. Aber auch so voller großartiger Erfahrungen. Ich lese oft, dass man "durch eine Menge Scheiße waten muss auf dem Weg zum sauberen Wasser", das geht schon in die richtige Richtung. Und niemand geht unter, niemand den Gott liebt.
Jetzt könnte man natürlich fragen, warum lässt Gott denn zu, dass es manche einfach nicht schaffen, warum lässt er sie so viel mehr leiden als Andere, warum ist manche Prüfung so viel schwerer als die der Anderen? Ist das so? Ist es nicht eine Sache der eingeschränkten Sicht von uns Menschen, dass es von unserem jeweiligen Standpunkt aus nur immer so wirkt, als wären die Prüfungen unterschiedlich gerecht oder sogar ungerecht? Gott kennt uns ganz genau und weiß wer welche Last tragen kann, er hat immer zu jedem Problem, die für uns richtige Lösung parat. Also gehen wir durchs Tal! Geleite mich Jesus!
Und ich mache diesen ganzen Dialyse, Krankenhaus, Überlebenswahnsinn jetzt schon über 30 Jahre (mit ner kurzen Pause in der mir Glück vergönnt war, welches ich nicht bereit war zu ergreifen), es gab immer zu jeder noch so beschissenen Ausgangslage einen Weg, der steinig und kräftezehrend war, der es am Ende aber immer wert war zu gehen. Heute bin ich an einem Punkt, zu einem hoffentlich sehr frühen Zeitpunkt meines Lebens an dem ich bereits mehr Erfahrungen gemacht habe, die Altersgenossen hoffentlich nie machen müssen und werden, an einem Punkt wo ich bis auf kleine Ausnahmen im emotionalen Bereich mit mir in Waage bin. Ich habe es geschafft mir selbst zu verzeihen, was ich mir angetan habe. Ich habe das schon einmal gedacht, weil ich mich der vorzeitigen Erleuchtung gewähnt habe, den schnellen Weg ging, ein paar Lernstufen übersprang und mich verführen ließ und dann fallen gelassen wurde; nicht mein Weg.
Ich bin die Summe all dessen, was ich dazu zähle während meines Lebens, mein Weg hat mich Demut gelehrt, aber auch all jenes, was gut ist schätzen zu wissen. Kurz noch zu 2. Korinther 12, 6-12, wo es um Schwächen geht. Meine Schwächen zu feiern, meiner Stärken nicht ruhmestrunken zu sein, immer denen beizustehen, die vermeintlich meiner Hilfe bedürften (ja ich übertreibe es da auch gern, auch da lerne ich noch) und nicht mehr jenen zu folgen, die das vermeintlich bessere Leben haben, hat mich mein Leben gelehrt. Jedes Leben ist bloß das der Person, die es lebt, keines ist besser oder schlechter, auch hier ist es die Perspektive, die zur Verzerrung führt. Jeder hat sein Päckchen, wirklich jeder.
"Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut sich ihrer Pracht, und mit Entzücken blickt man auf in jeder heitern Nacht!" (Johann Wolfgang von Goethe)
Es ist wie mit den Früchten aus Nachbars Garten oder dem verdammten Turm zu Babel, "Schuster bleib bei deinen Leisten" (Apelles), jeder kann was und sollte versuchen das auch zu tun. Wer dauerhaft gegen die eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, der versündigt sich an sich selbst und kann schlussendlich kein hilfreiches Werkzeug Gottes sein und verwirkt sein Leben.